Giuliani pop

Tribute to Teresa de RogatisA Tribute to Teresa de Rogatis (1893–1979)
Cinzia Milani, guitar
Aufgenommen im Juni 2018, erschienen ℗ 2019, im Handel ab 11.1.2019
BRILLIANT CLASSICS 95627
… wofür wir ihr und uns nur gratulieren können …

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Der Name Teresa de Rogatis ist heute vermutlich nur noch wenigen Musikfreunden, vielleicht noch einigen Gitarrenfreunden bekannt. Die Gitarristin wurde am 15. Oktober 1893 in Neapel geboren, bei ihrem Vater, Tommaso de Rogatis, erhielt sie ersten Gitarrenunterricht. Tommaso war sehr ehrgeizig, was die Karriere seiner Tochter anging und so förderte … und forderte er sie! Mit neun Jahren gab sie ihr Debut-Konzert auf der Gitarre, gleichzeitig unterzog sie sich anspruchsvollster Studien musikalischer Art. Bei Florestano Rossomandi studierte sie Klavier – bei Camillo De Nardis Komposition. Weder der eine noch der andere ist heute noch bekannt – mindestens hier im Hohen Norden – aber beides waren bedeutende Musiker und Lehrer vor – sagen wir – rund hundert Jahren. Rossomandi zum Beispiel war einer der Begründer der einflussreichen Neapolitanischen Klavierschule.
Teresa de Rogatis wurde im gleichen Jahr geboren wie Andrés Segovia (1893) und Angelo Gilardino, der den Booklet-Text für die CD „A Tribute to Teresa de Rogatis“ geschrieben hat, meint sogar, sie – Teresa – hätte problemlos eine ähnliche wenn nicht sogar größere Karriere als Segovia machen können. Schließlich waren ihre Startbedingungen deutlich günstiger, als die Segovias.

Teresa de Rogatis trat auch als Dirigentin auf … eine Karriere in dieser künstlerischen Disziplin blieb ihr aber verwehrt. Die Zeit war nicht reif für so „einschneidende gesellschaftliche Umwälzungen“ – gemeint sind Frauen am Dirigentenpult, die heute noch ähnlich selten zu finden sind wie CEOs von Dax-Unternehmen.
Aber Teresa machte als Gitarristin und Pianistin Furore, spielte beide Instrumente in denselben Konzerten und wurde – als Gitarristin und Pianistin – gefeiert! Dann, 1921, verliebte sie sich in Ägypten in den Schweizer Paolo Feninger, der zu der Zeit in Cairo wohnte. Die beiden heirateten, Teresa beendete ihre Konzertkarriere und begann eine Lehrtätigkeit, die sie über vierzig Jahre mit enormem Erfolg weiterführen sollte. Nach dem Tod ihres Ehemanns ging Teresa 1963 zurück nach Italien, unterrichtete weiter und komponierte. Hauptsächlich in dieser Station ihres Lebens entstanden ihre zahlreichen Gitarrenwerke, von denen einige jetzt in der Einspielung von Cinzia Milani erneut vorliegen … wofür wir ihr und uns nur gratulieren können.
Es sind nämlich durchaus Preziosen, die sie komponiert hat – kurze Stücke von maximal zwei bis drei Minuten aber alles andere als Banalitäten! Teresa hat klein dimensionierte Charakterstücke geschrieben, die das haben, was Charakterstücke per definitionem haben müssen oder musikalisch beschreiben: Charakter. „Recuerdos de España“, „Fantasia Araba“ oder „Fuoci Fatui“ heißen Kompositionen, andere „Bagdad“, „Soirée Madrilène“ oder „Tarantella Diabolica“. Die Stücke haben alles, was Musiker- und vor allem Gitarristenherzen höherschlagen lässt: Virtuosität, lyrische Passagen, Tempo. Aber hauptsächlich war es die große spätromantische Geste, die den Erfolg von Teresa de Rogatis‘ Gitarrenkompositionen begründet hat … immerhin zu einer Zeit, als es die Gitarre schwer hatte, im Musikleben einen akzeptablen Platz zu behaupten.
Cinzia Milani ist eine mehr als bemerkenswerte Gitarristin. Noch als Kind hat sie erste Interpretationswettbewerbe gewonnen, mit vierzehn hatte sie bereits sechzehn Wettbewerbe für sich entschieden. Ihre Teresa de Rogatis-CD beweist wieder einmal: Cinzia ist eine Musikerin mit enormen spieltechnischen Möglichkeiten und gleichzeitig ebenso werkdienlichem wie selbstbewusstem Umgang mit musikalischen Vorlagen.

In diesen Buchveröffentlichungen zum Thema wird Teresa de Rogatis nicht erwähnt: Konrad Ragossnig (Handbuch Gitarre und Laute, Mainz u.a., 32003); Maurice J. Summerfield (The Classical Guitar: It’s Evolution, Players and Personalities since 1800, Blaydon on Tyne, 52002); Josef Zuth, Handbuch der Laute und Gitarre, Wien 1926–1928); Peter Päffgen, Die Gitarre: Geschichte, Spieltechnik, Repertoire, Mainz u.a., 2. überarbeitete und erweiterte Neuauflage, 2002)

Hier wird Teresa de Rogatis erwähnt: Wolf Moser (Gitarre-Musik, Ein Internationaler Katalog, Hamburg, 21985) verzeichnet drei gedruckte Ausgaben, erschienen im Verlag Edizioni Curci in Milano; The New Grove Dictionary of Music and Musicians, hrsg. v. Stanley Sadie (London u.a., 1980, Bd, XVI, S. 98–99) enthält einen Artikel von Guy Oldham über einen Pascual de Rogatis (*1881), der als „Argentinian composer of Italian birh“ vorgestellt wird. Ob Pascual mit   Teresa de Rogatis verwandt war, geht aus dem Beitrag nicht hervor. Pascual jedenfalls ist in Teora in Kampanien geboren, etwas über hundert Kilometer von Neapel entfernt. Er hat Violine und Komposition in Buenos Aires studiert, wo er verschiedene Preise gewonnen hat. Verschiedene Bühnenwerke von ihm sind bekannt, auch mehrere große Orchesterwerke.