Jorge Morel: Guitar Music
Celil Refik Kaya
Aufgenommen im September 2015, erschienen 2016
Gitarre: Garrett Lee, New Jersey, USA
NAXOS 8.573514
… Sein souveräner Umgang mit seinem Instrument, der Gitarre, hat ihm das ermöglicht. …
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Jorge Morel ist einer der Gitarristen, die immer schon irgendwo zwischen Klassik, Folklore und Barmusik angesiedelt waren … und das – bitteschön! – ist nie und nimmer negativ oder irgendwie abfällig gemeint, keineswegs! Ich habe Jorge vor vielen Jahren in New York kennengelernt und er war mir ein ebenso exzellenter Berater, wie er ein wunderbarer, amüsanter und inspirierender Gesprächspartner.
Jorge Morel wurde am 9. Mai 1931 in Buenos Aires geboren – vor fast 86 Jahren – und damit ist er ein Zeitgenosse und natürlich Landsmann von Eduardo Falú (1923–2013), den ich das Glück hatte, recht gut zu kennen. Falú hat gesungen und konnte damit politisch deutlich aktiver agieren, als sein Zeitgenosse – Jorge Morel hat Argentinien früh verlassen und sich in New York niedergelassen, wo er im Jazz eine neue musikalische Heimat fand. Musiker wie Erroll Garner, Stan Kenton und besonders Chet Atkins waren dort seine Mentoren und musikalischen Partner. Jorge Morel machte eine internationale Karriere im Jazz und auch als klassischer Gitarrist und Komponist … oder sagen wir besser „als klassisch/populärer“ Gitarrist und Komponist? Seine Musik hatte immer eine leichte oder manchmal auch stärkere Neigung in Richtung Jazz oder Argentinischer Folklore und genau das haben Interpreten und Zuhörer sehr an ihr geschätzt. Kompositionen von Jorge Morel sind von vielen Interpreten gespielt und aufgenommen worden, unter ihnen ausgewiesene „Klassiker“ wie Eliot Fisk, David Russell Raphaella Smits oder jetzt Celil Refik Kaya.
Die Musik vorliegender CD swingt lateinamerikanisch. Mit der mehr als berühmten „Danza Brasilera“ beginnt das Programm, zwischendurch gibt es ein paar Ersteinspielungen von Stücken, die Morel für den Interpreten geschrieben hat: „Otro Tango, Buenos Aires“, „Prelude and Dance“, „A Mi Barrio“ und „Giga Criolla“ und schließlich die auch ziemlich bekannte dreisätzige „Sonatina“. Am Schluss steht Jorge Morels Arrangement von Fernando Bustamentes (1915–1979) „Misionera“. Dies ist die einzige Komposition des Programms, die nicht von Morel stammt, sondern nur von ihm bearbeitet worden ist. Aber was schreibt Graham Wade im Booklet: „His [sc. Bustamente‘s] most famous composition, Misionera, refers to the Misiones region of Latin America that extends between Paraguay and Brazil. Jorge Morel‘s transcription has become one of the most popular arrangements world-wide.“
Das Programm, das Celil Refik Kaya vorführt, ist wegen seiner Bodenständigkeit und Natürlichkeit immer noch ein Vergnügen. Der Interpret ist 1991 in Istanbul geboren, lebt aber heute weitgehend in den USA.
Celil Refik Kaya spielt kraftvoll und so, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, als lateinamerikanische Musik zu spielen. Es sind nicht nur die schnellen tänzerischen Stücke, die ihm gelingen, sondern auch die lyrischen wie die hinreißend schöne „Milonga del Viento“. Dabei ist es nicht einfach, die verschiedenen argentinischen Tänze auf der Gitarre zu realisieren, wenn man ihre Rhythmen nicht „mit der Muttermilch aufgesogen“ hat. Zamba, Chacarera, Milonga und schließlich der Tango haben Europäer immer wieder in ihren Bann gezogen und Celil Refik Kaya aus Istanbul, der wunderbaren und wundersamen Stadt zwischen Orient und Okzident hat sie sich sicher erarbeiten müssen. Es ist ihm gelungen, er hat sich hineingedacht und hineingefühlt, vielleicht auch hineingetanzt in die reiche volksmusikalische Kultur Lateinamerikas. Sein souveräner Umgang mit seinem Instrument, der Gitarre, hat ihm das ermöglicht.