Giuliani pop

Carnival CD Rezension BILDCarnival
Nazrin Rashidova, Violine; Stanislav Hvartchilkov, Gitarre
Werke von Johan Halvorsen (1864–1935), Mozart, Bizet, Johann Sebastian Bach, Elgar
Aufgenommen im Juli 2015, erschienen 2016
Gitarre: Kevin Aram
Firsthandrecords FHR 48, im Vertrieb von Challenge Records
… einerseits höchst diszipliniert, andererseits geniale Improvisatoren …

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Ein Vergnügen! Die Geigerin Nazrin Rashidova und der Gitarrist Stanislav Hvartchilkov spielen ein Programm mit dem Titel „Carnival“. Und was wird geboten? Natürlich keine Schlager zwischen Willi Ostermann und Brings, sondern klassische Kompositionen, die eine irgendwie geartete Beziehung zum Karneval haben. In Köln wird in solchen Konzerten, die dann Überschriften wie „Klassik jeck“ tragen, gerne etwas von Jacques Offenbach gespielt, der bekanntlich 1819 hier geboren wurde, oder die Ouvertüre zu Verdis Oper „Maskenball“. Aber das sind nur Beispiele, das verfügbare Repertoire ist groß.

Nicht so für die Besetzung Violine und Gitarre! Das CD-Programm enthält: eine Passacaglia (in g) von Johann Halvorsen (1864–1935), ein Adagio (in E) von Wolfgang Amadeus Mozart, zwei Carmen-Suiten von Bizet, den Choralsatz „Ich ruf zu dir Herr Jesu Christ“ von Johann Sebastian Bach, Variationen über „Carnival de Venice“ und „Salut d’amour“ von Edward Elgar. Zugegeben, das einzige Stück mit einer echten Beziehung zum Karneval sind die Variationen über „Carnival de Venice“, die sich auf die Neapolitanische Canzonetta „O cara Mamma mia“ beziehen, die schon Reinhard Keiser (1674–1739) in seinem Singspiel „Der angenehme Betrug oder der Carneval von Venedig“ verwendet hat – hier bekannter unter dem verballhornten Titel „Mein Hut, der hat drei Ecken“. Zahlreiche Variationssätze für alle möglichen Instrumente sind über dieses Liedchen geschrieben worden, einer darunter von Francsico Tárrega mit dem Titel „Carnaval de Venecia – Introducción y Variaciones sobre un tema de Paganini“.

 

Die Termine für den jährlichen Karneval hängen bekanntlich mit den Festen des Kirchenjahrs zusammen – genau genommen mit Ostern und der darauf vorbereitenden vierzigtägigen Fastenzeit in der katholischen Kirche. Da in Gegenden mit überwiegend protestantischen Christen keine Fastenzeit eingehalten wird, wird dort auch kein Karneval gefeiert. Denn der ist vor einigen hundert Jahren eingerichtet worden, damit sich die Katholiken vor dem langen Fasten noch einmal sattessen (und natürlich satttrinken) und sich des Lebens freuen konnten.

Welche Beziehung der Choral „Ich ruf zu dir Herr Jesu Christ“ zu Karneval hat, ist mir bisher verschlossen geblieben, das Gleiche gilt für Edward Elgars „Salut d’amour“ … obwohl … mit der Liebe hat der Karneval schon irgendwie zu tun!

Aber noch einmal zu den Variationen über den „Hut mit drei Ecken“. Nazrin Rashidova und Stanislav Hvartchilkov haben bei ihrer neuen Version mitkomponiert, ein paar fremde Variationen übernommen, dann aber auch neue, eigene beigesteuert. Flamenco höre ich da, irische Folklore und Jazz. Spaß pur! Die beiden Musiker sind einerseits höchst diszipliniert, andererseits geniale Improvisatoren. Nazrin Rashidova singt hinreißend schön auf ihrer Violine und spielt mit enormer Sensibilität. Dabei soll sie – so heißt es im Booklet – mit drei Jahren in ihrer Heimatstadt Baku ihr erstes öffentliches Konzert gegeben haben. Hört sich unglaublich an, wenn man aber den Schmelz hört, den sie aus ihrer Geige herausstreichelt, weiß man, wie lange sie schon miteinander umgehen. Auch Stanislav Hvartchilkov singt auf seinem Instrument, und auf der Gitarre ist das schwieriger, als auf der Violine! Auf einem Instrument mit punktuellem Klang ein Legato zu erzeugen, ist halt hohe instrumentale Kunst – wenn nicht unmöglich! Aber bei Musikern wie Stanislav ahnt man das Bemühen – man „hört regelrecht den Bindebogen“.