EDITION: Antoine de L’Hoyer: Die Zauberflöte von W. A. Mozart
Bearbeitet für Violine (Flöte), Viola und Gitarre
Herausgegeben von Andrea Förderreuther
Wien u.a., 2016, DOBLINGER, Partitur, € 28,95; Stimmen € 45,–
Reihe: Diletto Musicale, Doblingers Reihe Alter Musik, DM 1463
CD: Trio Con Brio: Die Zauberflöte
Andrea Förderreuther, Gitarre; Johannes Hustedt, Flöte; Carolin Kriegbaum, Viola
Digitalaufnahme und Mastering bei Bauer in Ludwigsburg, März/April 2006
ACD6095
… mit großer Sorgfalt und ebensolcher Sachkenntnis …
Antoine de L’Hoyer (1768–1851) hat seine Bearbeitung der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart gegen 1824 angefertigt … das jedenfalls nimmt die Herausgeberin der modernen Ausgabe dieses Stücks Kammermusik an. Und ihre Vermutung liegt nahe: De L’Hoyers Werke ab Opus 28 sind in Paris entstanden und dort auch gedruckt erschienen. Der Komponist ist 1812 wieder nach Paris gezogen, wo er nach 1774 schon einmal gelebt hatte. Danach (1789) wurde De L’Hoyer Soldat in den Gardes Du Corps du Roi, er floh aber bald vor den Wirren der Revolution, war 1792 in Koblenz bei den armées des Princes eingeschrieben, nahm an verschiedenen Auseinandersetzungen teil, wurde auch verwundet … um von 1800 bis 1802 im Hamburg zu leben, wo erste Kompositionen entstanden und herauskamen (Opera 12–18).
1803 reiste De L’Hoyer nach St- Petersburg und blieb dort und in anderen russischen Städten rund zehn Jahre. Es entstanden Werke Nº 19–27. 1812 finden wir den Komponisten in Paris wieder, und zwar als Mitglied der Garde de la Manche du Roi einerseits und als Komponisten andererseits. Inzwischen hat er sich von der fünfsaitigen Gitarre abgewandt, die sein „Stamminstrument“ gewesen war, und nur noch für das neue sechssaitige Instrument geschrieben, gleichzeitig ist Kammermusik immer wichtiger für ihn geworden: Kammermusik mit Gitarre oder für mehrere Gitarren.
Opera 1–11 von Antoine de L’Hoyer sind bisher nicht identifiziert. Uns liegen Opera 12 bis 45 vor, ebenso eine Reihe nicht nummerierter Werke (WoO: Werke ohne Opusnummern). Matanya Ophee hat ein Werkeverzeichnis des Komponisten veröffentlicht: [Antoine de l’Hoyer (1768–1836 ?): A Detective Story & Check List of his Works, in: SOUNDBOARD XVII/1990/Fall 1990/S. 33–37], es sind auch verschiedene Neuausgaben herausgekommen – nicht aber von op. 40, da ist die neue Edition von Andrea Förderreuther die erste moderne Ausgabe auf dem internationalen Markt.
Der komplette Titel der Erstausgabe lautet:
Op. 40 – La Flute Enchantée / Musique de W. A. Mozart / Arrangée en Trio pour / Guitare, Violon & Alto / Dédiée à Madame la Comtesse de / Tolstoy née Princesse Bariatinski / Par / A. de Loyer / Op. 40 Propriété de l’Éditeur Prix 9.f / On peut joindre le Chant à tous les Morceau, les intentions de Mozart ayant été conservé avec exactitude. / La Partie de Guitare est à la portée de tous les Amateurs.
Möglich ist also das Spiel in der Besetzung von Violine, Viola und Gitarre bzw. alternativ Flöte, Viola und Gitarre. Die Herausgeberin meint dazu ganz richtig: „Die Geigenstimme eignet sich mit minimalen Anpassungen hervorragend für Flöte; ohnehin ist eine »Zauberflöte« ohne eine solche kaum vorstellbar.“ Die Einspielung durch das Trio Con Brio ist folglich mit Flöte und nicht mit Violine besetzt.
Was wir auch in der Titelbeschreibung der Erstausgabe lesen, ist, dass jeder einzelne enthaltene Satz auch mit der jeweiligen Gesangsstimme vervollständigt werden kann („On peut joindre le Chant à tous les Morceau“). Man kann also zusätzlich eine Gesangsstimme ausführen … obwohl deren Texte nicht in die Erstausgabe aufgenommen worden sind. Bei Andrea Förderreuther finden wir sie!
Außerdem hat die Herausgeberin mit großer Sorgfalt und ebensolcher Sachkenntnis die überlieferte erste Ausgabe korrigiert, ergänzt und geglättet … denn sie enthält ebenso Fehler wie höchst kreative Eingriffe ins musikalische Geschehen. Die Herausgeberin meint, das könne daran liegen, dass Monsieur de L‘Hoyer eine „mangelhafte Partitur“ zur Verfügung gestanden hat, ich tippe aber eher darauf, dass er es sich nicht hat nehmen lassen, beim Komponieren selbst Hand anzulegen. Herausgekommen ist eine Zauberflöte, in der die Königin der Nacht nicht vorkommt, die Sätze nicht dem Geschehen des Singspiels folgen und Tonarten willkürlich geändert worden sind … aber speziell damit sind Gitarristen bekanntlich vertraut. Bemerkenswert sind auch die Variationen, die de L’Hoyer beispielsweise zu Papagenos „Vogelfänger-Arie“ hinzukomponiert hat!
Andrea Förderreuther hat, wie sie selbst schreibt, eine „praxisorientierte Ausgabe“ vorgelegt, für die man nur gratulieren und bestens danken kann … denn was uns von Antoine De L’Hoyer überliefert ist, wäre kaum präsentabel, weil zu persönlich gefärbt gewesen.
Die CD, die rund zehn Jahre vor der Edition vom TrioConBrio (mit Andrea Förderreuther, Johannes Hustedt und Carolin Kriegbaum) herausgekommen ist, verwendet die Flötenversion, was klanglich tatsächlich dem originalen Sujet deutlich näherkommt, als die mit Violine.
Es ist verwunderlich, dass sich bisher keine andere Kammermusikgruppe an dieses reizende Stück gemacht hat – die Aufnahme vom TrioConBrio scheint immer noch die einzige zu sein. Vielleicht wird das Vorliegen der neuen „praxisorientierten“ Ausgabe Musiker beflügeln, sich mit dem Stück zu befassen … es lohnt sich!