Schubert, Franz: Songs for Voice & Guitar
Anna Huntley, Mezzosopran; Jens Franke, Gitarre
Aufgenommen im August 2013, erschienen 2016
Gitarre: Michael Gee, 2009
Quartz QTZ 2215, im Vertrieb von NEW ARTS INTERNATIONAL
… ein nicht uneingeschränktes Vergnügen …
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Dass Franz Schubert (1797–1828) die Gitarre als Begleitinstrument für Lieder gemocht und dass er selbst eine Stauffer-Gitarre besessen hat, wissen wir. Auch haben wir Interpreten erleben dürfen, die sich mit großem Erfolg an Schubert-Liedern mit Gitarrenbegleitung versucht haben – darunter auch große Liederzyklen wie „Schöne Müllerin“ und „Winterreise“. Und schließlich liegen uns gedruckte Ausgaben von Schubert-Liedern mit Gitarrenbegleitung vor, die im 19. Jahrhundert erschienen sind und uns als Belege für die Popularität der Lieder in dieser Besetzung sind.
Gleichwohl schreibt Ateş Orga im Booklet zur CD (nur in Englisch): „The role oft he guitar in Schubert’s life is less clear, hindered as much by the fantasy of unscrupulous biographers as the acerbic‚ »Schubert without guitar« stance of his almanagist and cataloguer Otto Erich Deutsch – who ‚discredited virtually all of Schubert’s envolvement with the guitar offhand without well-documented evidence to support his confident criticism and assertions“. Welches Interesse der Schubert-Forscher Otto Erich Deutsch gehabt haben könnte, die Bedeutung der Gitarre in Schuberts Schaffen „mit skrupellosen Methoden“ herunterzuspielen, lässt sich nicht sagen, Orga hält aber ein feuriges Plädoyer für das Instrument und dafür, dass es zur Zeit Schuberts und bei Schubert selbst eine wesentliche Rolle gespielt hat.
Fast alle Lieder, die Anna Huntley und Jens Franke auf ihrer gemeinsamen CD präsentieren, sind von Napoléon Coste (1856–1883) oder Anton Diabelli (1781–1858) bearbeitet und herausgegeben worden. Diese beiden Herren haben also das Repertoire ausgesucht, das heute gegeben wird und ganz offenbar damals, vor zweihundert Jahren, schon geschätzt wurde. Aber: Es sind sechshundert Lieder von Schubert überliefert aber gesungen und gespielt werden immer die gleichen. Vielleicht könnte das Anlass für eine intensivere Repertoiresichtung werden
Anna Huntley singt mit etwas zu großer Stimme und ich frage mich, ob nicht hier, in diesem Zusammenwirken, doch das Klavier als Begleitinstrument die bessere Wahl gewesen wäre – vielleicht nicht gerade ein Bösendorfer Grand Imperial, aber ein Wiener Hammerflügel der Schubertzeit … nicht etwa, weil das „authentischer“ wäre, sondern aus Gleichgewichtsgründen.
Je mehr melismatischer Gesang von der Sängerin verlangt wird, desto häufiger und intensiver habe ich Verstehensprobleme … und das ist bei Melismen, die naturgemäß auf Vokalen ausgeführt werden, beinahe einkomponiert und schwer zu vermeiden … vor allem dann, wenn Deutsch nicht die Muttersprache des Interpreten oder der Interpretin ist. Aber die textlichen Nuancen sind wichtige Bestandteile der Liedkultur des 19. Jahrhunderts, wenn nicht der wichtigste Aspekt überhaupt. Als Beispiele für meine Verstehensprobleme nenne ich: „Auf dem Wasser zu singen“ (D774) oder das wunderbare Lied „Der Tod und das Mädchen“ (D531), auch „Ave Maria“ (D839).
Die Schubert-CD von Anna Huntley und Jens Franke war mir ein nicht uneingeschränktes Vergnügen – aber sie war eines, sicher! Dass solche Programme aufgelegt werden, finde ich nachahmenswert, auch, wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden.