Mijndert Jape, Fernando Sor: A Bibliography of Published Literature and Music
Hillsdale, NY, 2014, Pendragon Press [Annotated Reference Tools in Music, Vol. 8]
ISBN 978-1-57647-218-7
Heutzutage Nachschlagewerke und besonders Bibliographien in gedruckter Form herauszugeben, birgt ein Risiko in sich, das darin besteht, dass sie bei Drucklegung schon veraltet sind und danach, wenn sie einmal in papierener Form vorliegen, in enormem Tempo an Aktualität verlieren. Was man dagegen tun kann? Nun, man kann den Zeichen der Zeit folgen und beispielsweise die geplante Bibliographie online publizieren. Das versetzt einen in die Lage, die Listen bei Bedarf zu aktualisieren – ja, man verpflichtet sich regelrecht dazu, weil bei Online-Publikationen als selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass sie a. kostenlos und b. ständig up to date sind. Nicht nur Lexika (auch Musiklexika) haben angekündigt, dass sie zukünftig nicht mehr in gedruckter Form herauskommen werden (Beispiel ist die Brockhaus-Enzyklopädie) , auch und gerade internationale bibliographische Nachschlagewerke der Musikwissenschaft wie RISM (Répertoire International des Sources Musicales – Internationales Quellenlexikon der Musik) und RILM (Répertoire International de Littérature Musicale – Internationales Repertorium der Musikliteratur) haben schon vor Jahren ihr Erscheinen in gedruckter Form eingestellt. Das ist keineswegs beklagenswert, es ist ein Segen, denn
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Fehler können online ohne Zeitverlust korrigiert werden. Bei gedruckten Bibliographien vergehen dagegen meistens Jahre, bis Ergänzungsbände mit Korrekturen erscheinen.
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Bibliographien sind online nach verschiedenen Kriterien (auch im Volltext) durchsuchbar. Der vorliegende Band von Mijndert Jape zeigt, wie umständlich es ist, gedruckte Nachschlagewerke zu indizieren.
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Online-Publikationen sind deutlich preiswerter als gedruckte Bücher – preiswerter in ihrer Kompilation und Herstellung, das macht es leichter, Verleger für sie zu finden, und natürlich preiswerter, was das Endprodukt angeht: Buch oder Zugangsgenehmigung zu einer Datenbank, wenn diese nicht sogar kostenlos angeboten wird.
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Automatische Übersetzungsprogramme können ohne Vorarbeiten mit Texten arbeiten, die als Daten vorliegen. Gedruckte Texte müssten zunächst digitalisiert werden.
Um aus Mijndert Japes Buch Nutzen zu ziehen, muss man zunächst eine Art Gebrauchsanweisung lesen und befolgen. Zunächst aber gilt es, die üblichen Danksagungen („acknowledgements“) durchzusehen und zu würdigen. Es handelt sich nämlich in diesem speziellen Fall nicht nur um namentliche Erwähnungen von Helfern und Mitarbeitern, es werden teilweise Biographien und Adressen – versteckt im Fließtext – mitgeliefert. Beispiel: Der Verlag K. G. Saur wird so gelistet: „Claudia Heyer, from K. G. Sauer [sic!] Verlag (section) Lektorat, Munich (Freistaat Bayern, Free State Bavaria, D“ usw., beim Trekel-Verlag heißt es nicht einfach „Hamburg“, nein, da steht: „Freie und Hansestadt Hamburg, Free and Hanse City Hamburg, D)“. In MGG-2 ist diese wortreiche Ortsbestimmung schlicht und platzsparend mit „Hbg.“ abgekürzt. Im Verzeichnis „Publishers“ [S. xxxiv] wird nicht mehr erwähnt (nicht einmal auf Deutsch), dass sich Hamburg gern „Freie und Hansestadt“ nennt, dafür findet man aber vom Trekel-Verlag (wie von etlichen anderen Verlagen) Straße und Hausnummer und, wenn bekannt, Homepage … zum Glück keine Telefonnummer!
In welcher Reihenfolge die erwähnten Personen in den „acknowledgements“ erscheinen (ob alphabetisch, chronologisch oder nach Wichtigkeit sortiert) blieb mir bis jetzt trotz inständigen Suchens verborgen. Dass es aber eine innere Reihenfolge gibt, darauf deutet die Erwähnung von Dr. Luis Gásser hin, die mit den Worten „Last but not least …“ beginnt … und Gásser ist tatsächlich der Letzte in der Liste.
Alle Nennungen von Kompositionen, von Büchern oder sonstigen Beiträgen zum Thema „Fernando Sor“ sind chronologisch geordnet. Das heißt, wir finden sie in der Reihenfolge ihres Erscheinens … beginnend mit einem Nachruf aus dem Jahr 1839, Sors Todesjahr, aus der Zeitschrift „Entreacto“ und endend mit einem Artikel von Brian Jeffery in Jahrgang XXXVIII/3 (2012) von Soundboard: „Sor in Trouble with the Spanish Inquisition, 1803 to 1806“. Diese Art der Anordnung hat der Autor gewählt, weil sie „an insight into the historical development of musicological research concerning Fernando Sor“ bietet und außerdem: „Besides, it facilitates reference“ [S. xi]. Tatsächlich bietet die chronologische Ordnung einen Überblick über die Rezeptionsgeschichte zum Thema „Sor“ … aber ob sie tatsächlich Querverweise erleichtert? Will man beispielsweise herausfinden, was der bekannte Forscher Brian Jeffery alles über Sor veröffentlicht hat, ist man auf einen im Buch vorhandenen Index angewiesen: „INDEXES: I. Names – Subjects“ [S. 67]. Hier findet man dann Listen a. der Publikationen von Brian Jeffery zum Thema und b. der Sor-Werke, die Jeffery herausgegeben hat.
Der Autor selbst geht auf die Frage nach der Reihenfolge der Einträge in seiner Bibliographie auch an anderer Stelle ein: „Arranging documents in alphabetical order by their title may disturb the chronological order of the issues and the page-sequence [… hier ist ein Beispiel eingefügt …] or sometimes just the page-sequence. However this is a minor inconvenience, considering that the entries concerned are always adjacent.“
Soviel zur Systematik der Bibliographie von Mijndert Jape.
Zu klären bleibt noch die Frage, was in die Listen aufgenommen worden ist und was nicht … denn eines ist jedem Benutzer freilich ohne nähere Erklärungen offenkundig: Was beispielsweise unter „IB. Editions“ [Seiten 3–6] gelistet wird, sind weitaus nicht alle Ausgaben von Sor-Werken, die erschienen sind.
In der Einleitung („Introduction“, S. xi) heißt es dazu: „Concerning editions of his music only five categories were included: Facsimiles, Editions of complete works, Publications in periodicals […]“. Dabei sind mit „Editions of complete works“ nicht „Ausgaben kompletter Werke“ gemeint, sondern „Ausgaben [jeweils] sämtlicher Werke“, also Gesamtausgaben.
Zwei dieser Ausgaben hat Brian Jeffery auf den Weg gebracht, 1. unter IA/1982, eine Ausgabe sämtlicher Werke in Faksimile und 2. als IB/2002 eine Ausgabe in Neusatz. Vergessen sollte man dabei allerdings nicht, dass auch Mijndert Jape eine Gesamtausgabe herausgegeben hat … bzw., um genau zu sein, drei Bände einer Gesamtausgabe unter dem ebenso hochtrabenden wie irritierenden Namen „Opera Omnia for the Spanish Guitar” im Verlag Van Teeseling in Nijmegen, der das Erscheinen danach aber leider einstellte (S. IB/1980–1985).
Mir stellen sich nach Lektüre der Bibliographie von Mijndert Jape mehr neue Fragen, als das Buch beantwortet hätte. Es hätte umfänglicher sein können oder müssen, kompletter, umfassender … aber dafür hätte sein Autor es anders anfassen müssen. Vieles ist zu ausführlich und umständlich – anderes regelrecht lapidar. Und natürlich gibt es Fragen: Warum sind etliche Titel der Literatur des 20. Jahrhunderts als „Untraceable Literature” kategorisiert? Für jeden einzelnen Titel der Liste (Seite 63) lassen sich Nachweise finden. Warum ist beispielsweise diese Gesamteinspielung der Werke von Fernando Sor als Ausgabe vertreten: „NAXOS Complete Works Series on CD … ” und zwar unter N.N. (Nomen Nescio/Namen kenne ich nicht)? Eine andere (wirkliche) Gesamtaufnahme von Kazuhito Yamashita dagegen wird ignoriert. Mijndert Japes Buch hält Rätsel bereit … unterstreicht aber erneut die Bedeutung des Komponisten Fernando Sor.