Giuliani pop

EncouragementL’Encouragement, 19th Century Guitar Duos
Herminia Navarro & Pablo Rioja
Werke von Sor, de Fossa, Haydn, Moretti und Mertz
Aufgenommen im Juli 2015, erschienen 2016
Gitarren: Ángel Benito Aguado 2009, nach Coffé-Goguette, Mirecourt ca. 1850
Eudora Records EUD-SACD 1604

Herminia Navarro und Pablo Rioja spielen zeitgenössische Gitarren … bzw., um genau zu sein, spielen sie Nachbauten zeitgenössischer Gitarren. Angefertigt hat sie Ángel Benito Aguado nach Vorlagen von Coffé-Goguette aus der französischen Geigenbaumetropole Mirecourt. Sie, die Vorbilder, sind dort gegen 1850 entstanden – also relativ spät, zu einer Zeit, als die Luthiers schon Erfahrung mit sechssaitigen Gitarren gesammelt hatten. Von Lütgendorff (Die Geigen- und Lautenmacher, 1929) listet Coffé-Goguette sogar mit den Jahreszahlen (floruit) 1834 und 1860, was auf ein noch späteres Entstehen des Instruments hindeutet.

Und tatsächlich: Die Gitarren, die auf der CD gespielt werden, klingen schon recht modern, glatt und klanglich ausgewogen, wenn man sie mit Instrumenten der Giuliani-Zeit vergleicht. Das macht sie nicht weniger authentisch oder gar aus Gründen der historischen Aufführungspraxis ungeeignet für diese Aufnahme, man bedenke aber, dass die Gitarre im 19. Jahrhundert eine rapide Entwicklung genommen hat. Ihre Ausstattung mit sechs Einzelsaiten war seit dem Wechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert in Benutz und sofort zum Standard avanciert, der bis heute gilt. Diverse Versuche, die Instrumente lauter und klanglich stabiler zu machen, kann man danach das ganze neunzehnte Jahrhundert über beobachten. Das angestrebte Ziel wurde zwar zunächst nicht erreicht, dafür entstanden Gitarren mit unterschiedlichsten klanglichen Auslegungen.

Das Programm, das auf dieser Debüt-CD angeboten wird, beinhaltet ein paar echte „Klassiker“ des Rpertoikres für Gitarrenduo, darunter opp. 54 (bis) und natürlich 34 von Fernando Sor, „Nänien“ Trauerlieder und Barcarole von Mertz, das „Gran duo concertant“ von Federico Moretti und schließlich meinen Favoriten, das „Gran Duo Nº 9 tiré des œuvres de Haydn“ von François de Fossa. Letzteres Stück geht zurück auf Joseph Haydns Streichquartett op. 2 Nº 2, das nicht vergleichbare Leichtigkeit und Eleganz ausstrahlt. Gut, das Stück ist nicht im Original für zwei Gitarren geschrieben, aber es ist von einem Meister seines Fachs für diese Besetzung arrangiert und herausgegeben worden und gehört sicher zum Besten, was uns als Spielmaterial aus dieser Zeit zur Verfügung steht. Herminia Navarro und Pablo Rioja spielen diese Musik mit enormer Delikatesse, aufmerksam und mit dem gebührenden Respekt. Sehr schön!

Das Label „Eudora“ produziert Tonträger von sehr hoher technischer und natürlich musikalischer Qualität … bei denen tatsächlich kein Detail vernachlässigt wird; Luis Briso de Montiano hat die sachkundigen sleeve-notes geschrieben; die SACD-Surround-Technik garantiert den höchsten technischen Standard, der vielleicht die dem Untergang gewidmete gute alte CD doch noch für einige Zeit am Leben halten wird; das produzierte Repertoire enthält nicht nur Spanisches zwischen Flamenco und de Falla, sondern große Musik aller Couleur; und schließlich die Interpreten: Es ist viel spanische Musik dabei, Debütanten und junge Talente … mit weniger bekanntem, alten und mit jungem Repertoire. Und Achtung: Dies ist das Gesicht eines jungen Plattenlabels. Eines unabhängigen Labels, das Traditionelles erhalten und Neues etablieren will.

Und nochmal die vorliegende CD: Gitarrenduos des 19. Jahrhunderts zu spielen ist keine sensationelle Neuerung. Auch nicht, diese Kompositionen auf historischen Instrumenten zu spielen. Machen viele! Das Repertoire zwischen Federico Moretti und Joseph Kaspar Mertz ist auch kein sensationell innovatives Unternehmen – wohl aber all dies im Zusammenklang mit den fein ausgeloteten Interpretationen, die Herminia Navarro und Pablo Rioja abliefern. Bravi!