Federico Moreno Torroba: Guitar Works
Frank Bungarten, Guitar
Aufgenommen im Mai 2015, erschienen 2016
Gitarre: Gerhard Schnabl 2010
MDG 905 1915-6, im Vertrieb von NAXOS
… hohe Gitarrenkunst …
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Federico Moreno Torroba (1891–1982) hat zeitlebens nie Gitarre gespielt – und doch ist er einer der bedeutendsten Komponisten von Gitarrenmusik des 20. Jahrhunderts geworden. An das Instrument haben ihn seine tiefe Liebe zu seinem Heimatland Spanien gebracht – und Andrés Segovia (1893–1987). Segovia hatte, als er vor gut hundert Jahren seine unglaubliche Karriere plante und begann, mehrere Ziele vor Augen – so jedenfalls war seine Lesart der Geschichte der Gitarre im 20. Jahrhundert. Eines seiner Ziele war, sein Instrument aus den Bodegas hinaus in die großen Konzertsäle zu bringen. Das hat er(!) geschafft. Dann wollte er erreichen, dass man weltweit in Akademien und Hochschulen Gitarre studieren konnte – auch das ist ihm(!) gelungen. Schließlich wollte er ein neues Repertoire für die Gitarre als Konzertinstrument etablieren, und das bringt uns zu Federico Moreno Torroba. Er war nämlich einer der Ersten, die Segovia angesprochen hat, für sein Instrument und damit für ihn zu komponieren – der allererste Nichtgitarrist soll er gar gewesen sein … nicht de Falla, wie man gelegentlich liest.
Es war Teil von Segovias Konzept, vermehrt Nichtgitarristen um Kompositionen zu bitten. Er ging nämlich davon aus, dass sich Gitarristen, wenn sie für ihr Instrument komponierten, häufig in instrumentenidiomatischen Floskeln verfangen können … was er vermeiden wollte. Außerdem hatte er so direkteren Einfluss auf die entstehenden Werke – schließlich machte er sie spielbar und bereitete sie für Verlagsausgaben vor … mit dem Erfolg allerdings, dass Wissenschaftler, Gitarristen und Verlage heute dabei sind, neue, auf ihren Urtext reduzierte Ausgaben der Kompositionen herauszubringen. Der große Segovia hat es sich nämlich nicht nehmen lassen, mit zu komponieren!
Gehen wir also davon aus, dass Moreno Torroba (und nicht de Falla) der erste Nicht-Gitarrist war, der ein Solostück für Gitarre geschrieben hat – Frank Bungarten scheint Wert auf diese Richtigstellung zu legen. Es war die „Danza“ aus seiner „Suite Castellana“ (geschrieben vor 1920, UA 1923, veröffentlicht 1926). Allerdings war Moreno Torroba durchaus renommiert … sonst hätte Segovia ihn vielleicht auch nicht auf Gitarrenwerke angesprochen. Torroba war berühmt für seine Zarzuelas, die er seit 1912 in schneller Folge komponierte und auf die Bühne brachte. Insgesamt waren es rund hundert (!) – eine der erfolgreichsten war wohl „Luisa Fernanda“ aus dem Jahr 1932, die 2007 mit Placido Domingo bei den Salzburger Festspielen Furore gemacht hat und bei der Deutschen Grammophon auf CD herausgekommen ist.
Zarzuelas waren gesungene und gesprochene Bühnenwerke, die zwar als höfische Dramen schon im 17. Jahrhundert entstanden waren, aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts populär wurden … allerdings nicht für lange Zeit. Dass in einer Stadt wie Madrid gleich mehrere Zarzuela-Theater jeden Abend Vorstellungen gaben, diese Zeiten waren spätestens mit dem Wechsel zum 20. Jahrhunderts vorüber. Der Spanische Bürgerkrieg und der Zweite Weltkrieg tat das Ihre.
Federico Moreno Torroba hat gut von seinen Zarzuelas leben können – aber sie waren nicht seine einzigen musikalischen Werke. Auch nicht die Gitarrenstücke, die ihm neue, Internationale Popularität einbrachten. Torroba schrieb mehrere große Ballettmusiken, Orchesterwerke und drei Opern, die nicht einfach größere Zarzuelas waren, sondern ernsthafte Versuche mit der großen musikdramatischen Form.
Frank Bungarten hat für seine neue CD drei große Zyklen kleinerer Gitarrenstücke von Torroba zusammengetan: „Piezas caracteristicas“, „Castillos de España“ und „Puertas de Madrid“, dazu drei Einzelstücke, darunter das längste des Programms insgesamt: „Nocturno“ mit 3:51 Minuten.
Federico Moreno Torrobas Gitarrenstücke klingen irgendwie nach Spanien oder, wie Bungarten schreibt, „wie spanische Volksmusik, ohne im geringsten solche zu sein. Schubert und Torroba zitieren nicht, sie kristallisieren die Seele einer musikalischen Kultur.“ Und Frank Bungarten schließt sich ihnen an, indem er kantabel und elegant, virtuos und eloquent Torrobas Bilder aus Spanien zeigt! Er präsentiert dabei hohe Gitarrenkunst, ohne ihren Interpreten dabei in den Vordergrund zu rücken. Er versucht auch nicht, aus einem Aquarell ein großes Gemälde zu machen! Was ihm der Komponist da anvertraut hat, dem fühlt er sich verpflichtet, und dabei bleibt er bis zur „Puerta de Moros“, dem letzten Stück des Programms … die übrigens einen Platz in Madrid umspielt und kein Tor in Córdoba oder Granada. Aber das hat Torroba ja ohnehin nicht gemacht: „Der Versuch, von den Namen der Schösser und Tore auf den Charakter der Stücke zu schließen, geht in die Irre.“ Bei der „Puerta de Moros“ stimmt das nur halb … aber sonst? Die CD von Bungarten kann man nur jedem empfehlen!