Marijke Steinhaus: Señora Gutarra–The Art of Female Composition
Werke von Ida Presti, Emilia Giuliani, Madame Sidney Pratten, Carmen Guzmán, Fabienne Magnant
Aufgenommen im Dezember 2014, erschienen 2016
Gitarren: Thorsten Sven Lietz, Essen; 2002 und 2012
Eigenes Label: Source of Sound Records
… Der Interpretin, Marijke Steinhaus, merkt man an, dass dies ihre Debüt-CD ist …
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Folgendes Konzept hat Marijke Steinhaus ihrer ersten CD vorangeschickt: „Der weiblichen Schöpfungskraft Ausdruck zu verleihen, ist das erste Anliegen dieser CD.“ Die Kompositionen, die folgen, sind ausnahmslos von Frauen … allerdings … auch, wenn Heinrich Christoph Koch in seinem „Musikalischen Lexikon“ 1802 meinte „Die Guitarre ist besonders zur harmonischen Begleitung des einstimmigen Gesanges geeignet, und wird am gewöhnlichsten und häufigsten in Spanien gebraucht. Bey uns hat sie sich seit einiger Zeit zum Lieblingsinstrumente der Damen zu erheben gewußt“ (Sp. 707), es gab nicht viele Gitarristinnen vor ihm, jedenfalls keine, die sich als konzertierende Musikerinnen oder Komponistinnen einen Namen gemacht hätten.
Marijke Steinhaus spielt Stücke von Emilia Emanuela Giuliani-Guglielmi (1813–1850), der Tochter von Mauro Giuliani und dessen Lebensgefährtin Anna Wiesenberger. Sie, Emilia, hat sich 1841 in Wien noch einen Namen damit gemacht, dass sie eine Spieltechnik erfunden und coram publico präsentiert hat, das Spielen von Doppelflageoletttönen nämlich, das heute zum spieltechnischen Standard gehört.
Ob ihre SEI PRELUDI PER CHITARRA, composti e dedicati All’Egregio DIlettante IL SIGNOR CONTE LUJIGI MORETTI […] da Emilia Giuliani-Gugliemi op. 46 heute noch bekannt wären, wenn deren Komponistin nicht Giuliani geheißen hätte, wissen wir nicht. Auch nicht, ob der Wiener Musikverlag Artaria & Comp. die Stücke herausgebracht hätte … immerhin hatte die Gitarre ihre Hochblüte in Wien schon hinter sich.
Marijke Steinhaus spielt zwei der Preludi: Das erste ist eine harmonische Folge, die in immer gleiche Arpeggien aufgelöst wird. Das erlaubt, eine gewisse spielerische Eloquenz, nicht aber, überschäumende Fantasie zu präsentieren. Preludio Nº 3 stellt (mindestens) Marijke Steinhaus vor Probleme. Dieses Stück ist eher sperrig und gelingt ihr weniger flüssig. Man hört die technischen Klippen … vor allem, wenn sie durch locker dahinarpeggierte Passagen unterbrochen werden.
Die „Kölnerin“ Catharina Josepha Pelzer (geboren wurde sie 1821 in Mülheim am Rhein, das am 1. April 1914 zu Köln-Mülheim wurde) galt als Wunderkind auf der Gitarre. 1829 zog sie mit ihren Eltern nach London, wo sie später den angesehenen Flötisten Robert Sidney Pratten kennenlernte und 1854 heiratete. 1868 starb ihr Ehemann. Madame Sidney Pratten unterbrach ihre Karriere als Gitarristin für ein paar Jahre, nahm sie aber wieder auf und führte sie fort bis 1893. Da war sie 72 Jahre alt.
Madame Sidney Pratten war als Gitarristin erfolgreich, der Autor und Herausgeber Stanley Yates hielt sie gar für „the most respected guitarist in England“ … allerdings „at a time when interest in the guitar was all but gone.“ Die Musikerin war ihre eigene Verlegerin und jede ihrer Ausgaben trug auf der Titelseite den Hinweis: „Owing to the limited sale of Guitar Music Mme Pratten is obliged to charge FULL PRICE for her own Publications.“ Gleichzeitig wurde damit geworben, dass die Komponistin „Teacher of the guitar To Her Royal Highness the Princess Louise“ war, und tatsächlich: Mme Sidney Pratten war als Lehrerin und als Autorin von Gitarren-Lehrwerken erfolgreich. Allerdings wurden dabei ihre Ansprüche an das zu erreichende Spielniveau bei ihren Eleven immer geringer – bis hin zu einer ihrer letzten Gitarrenschulen, die nicht mehr mit Noten, sondern mit „Colored Diagrams of the Fingerboard“ für sich warben. NOTENKENNTNISSE NICHT ERFORDERLICH, das kam hundert Jahre später wieder, wurde verspottet … aber zigtausend mal verkauft.
Sieben Einzelsätze von Madame Pratten spielt die Solistin auf ihrer Debüt-CD, sieben Einzelsätze, die etwas zwischen romantischem Lamento und eher gezwungener Virtuosität anbieten. Keine Frage, dies sind ebenso ansprechende wie anspruchsvolle Stücke aber Kompositionen für die nächsten Generationen sind es eher nicht!
Vier Valses von Carmen Guzmán (1925–2012) stehen noch auf dem Programm, vier kleine Stücke, die ahnen lassen, warum Nadia Boulanger zu ihrem Schüler Astor Piazzolla gesagt hat, alles, was er komponiere, klinge irgendwie nach Tango. Stimmt! Auch die Valses von Carmen Guzmán klingen nach Argentinien … und Argentinien klingt nach Gardel und Gardel klingt nach Tango. Und was hat die Boulanger noch zu Piazzolla gesagt? Er solle schön weitermachen mit seinen Tangos. Bravo Madame et merci beaucoup!
Über Ida Presti muss nichts mehr gesagt oder geschrieben werden. Sie kennt hier jeder und ihre Musik auch. Anders bei Fabienne Magnant. Sie ist eher Gitarristin als Komponistin, hat bei Olivier Chassain und bei Roland Dyens studiert und zunächst versucht, als Interpretin einen Weg zu finden. Er führte sie nach Brasilien und nach Spanien … und da war es die musikalische Kultur der andalusischen Gitanos, die sie faszinierte und die sie aufnahm. Flamenco! Hic et nunc ist ihr Stück „Iberique“ im Programm … ein „stimmungsvoller Einblick in die Welt ihres Schaffens für die »Spanische Gitarre«“, aber: Es ist dabei eine Art Stilkopie entstanden, eine Adaption spanischer Elemente.
Das Repertoire, das Marijke Steinhaus uns anbietet, ist unterhaltsam und interessant – aufregend ist es nicht! Das hat nichts mit der Quotenregelung zu tun, die bei der Auswahl der Stücke bestimmend war, auch nicht damit, dass Frauen keine spannende Musik schreiben könnten. Besteht vielleicht ein Zusammenhang damit, dass alle beteiligten Tonschöpferinnen eher komponierende Gitarristinnen waren und sind? Alle fünf?
Der Interpretin, Marijke Steinhaus, merkt man an, dass dies ihre Debüt-CD ist. Ihr fehlt dieses Maß an Sicherheit und professioneller Distanz, das ihre Kolleginnen und Kollegen mit mehr Bühnenerfahrung ausstrahlen. Und eine Frage hätte sie sich vor Erscheinen ihrer CD stellen müssen: Does sex really sell?