a Mozart Tribute
Fantasien, Transkriptionen und Variationen des frühen 19. Jahrhunderts
Martin Hegel, Romantische Gitarre
Werke von Mozart, Mertz, Sor, Diabelli, Molitor u. a.
Aufgenommen im März und September 2015
Gitarre: Bernard Enzensperger (1788–1866), restauriert von Erik Pierre Hofmann
Acoustic Music Records 319.1548.2
… keineswegs als Rampensau …
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Notenausgabe: Mozart for Guitar
32 Bearbeitungen für Gitarre herausgegeben von Martin Hegel
Mainz u.a., 2015, Schott
ED 21856, € 16,–
Nein, Wolfgang Amadeus Mozart hat nie für Gitarre komponiert. Kein Stück! Und doch taucht sein Name in der Gitarrenmusik des frühen (und auch späteren) 19. Jahrhunderts immer wieder auf … als Lieferant von Themen für Variationssätze oder als Komponist von Werken, die Gitarristen in Form von Paraphrasen für ihr häusliches Musizieren genutzt haben. Klavierauszüge wurden zur gleichen Zeit populär (Mozart hat – nebenbei bemerkt – selbst Sätze aus eigenen Werken für Klavier bearbeitet und herausgegeben) … aber das Modeinstrument der Zeit, die Gitarre, erfreute sich in den Salons besonderer Beliebtheit.
Natürlich war Musik zu dieser Zeit, vor rund zweihundert Jahren, nur live erlebbar. Musikfreunde mussten ins Konzert gehen, in die Oper oder die Stücke selbst spielen. Konserven gab’s nicht … es sei denn, man zählt die gedruckten Notenausgaben, die für verschiedene Besetzungen und in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden erschienen, dazu. Die sechssaitige Gitarre hatte, wie wir wissen, in kurzer Zeit einen Siegeszug durch die Salons hauptsächlich von Paris und Wien vollzogen. Dort war sie in einem derartigen Maß en vogue, dass sogar kolportiert wurde, eine Krankheit namens „Guitaromanie“ habe sich ausgebreitet, der viele Musikfreunde zum Opfer gefallen seien.
Gespielt wurde, was den Damen und Herren der Gesellschaft gefiel und was in den Salons Gesprächsthema war. Dabei wurde entweder das extemporiert, was man in Erinnerung hatte … oder gewartet, bis entsprechende Bearbeitungen angeboten wurden. Das ging recht schnell – schließlich lebten zahlreiche Verleger in den Hauptstädten der „Guitaromanie“ von diesem Tagesgeschäft.
Musikalische Moden waren allerdings vor zweihundert Jahren kürzerlebig, als sie es heute sind. Beliebt war das, was tout Paris kannte und in aller Munde war … allerdings konnte das ein Tag später schon etwas anderes sein. Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) ist bei Wiener Gitarristen lange im Gespräch geblieben, jedenfalls haben sich etliche Groß- und Kleinmeister der Gitarre mit Werken aus seiner Feder auch lange nach der Wende zum 19. Jahrhundert noch befasst.
Martin Hegel spielt (natürlich) die legendären Variationen op. 9 von Fernando Sor, die auch ohne Introduktion durch Maestro Segovia zu internationalem Ruhm gekommen sind, und desselben „Six airs choisis de l’Opéra de Mozart: Il Flauto Magico“ op. 19; auch die sehr schöne „Fantaisie über Motive aus der Oper Don Juan“ op. 28 von Johann Kaspar (oder Caspar Joseph?) Mertz (1806–1856) und die „Fantasie über »Don Giovanni« nach Sigismund Thalberg“ von Giulio Regondi.
Schließlich Transkriptionen: zunächst solche, angefertigt von bekannten Musikern des 19. Jahrhunderts: Diabelli, Mertz, Molitor und Carulli … und dann, notabene, „Berühmte Transkriptionen (arr. Martin Hegel)“. Diese Überschrift wäre etwas für Wolf Schneider, der sich in seinem Buch „Deutsch für Profis“ (Hamburg 61984) über die „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ (von Jakob Burckhardt) oder „konspirative Wohnungen“ mokiert hat. Natürlich waren nicht die Betrachtungen von weltgeschichtlicher Bedetung (zumindest konnte das bei Erscheinen des Buches niemand wissen), wohl aber handelte es sich um „Betrachtungen zur Weltgeschichte“. Und nicht die Wohnungen waren miteinander verschworen, sondern diejenigen, die sie für konspirative Treffen nutzten.
Martin Hegel wollte seine eigenen Bearbeitungen nicht als „Berühmte Transkriptionen“ aufwerten, sondern vielmehr „Transkriptionen berühmter Werke (von Mozart)“ ankündigen, ist dabei aber in einen der Fallstricke der deutschen Sprache geraten … und prompt gestolpert. Das ist nicht weiter schlimm, ich frage mich allerdings, warum dieser Lapsus in der Booklet-Redaktion des Labels nicht entdeckt und verhindert worden ist. Die Redakteure bei Schott in Mainz, wo eine Auswahl der Transkriptionen im Druck erschienen ist, sind – natürlich, möchte ist fast sagen – nicht in diese Falle getappt.
Musikalisch geht Martin Hegel sensibel mit Mozart und seinen Kompositionen um. Er spielt eine Gitarre von Bernard Enzensperger, einem ehemaligen Gesellen von Johann Georg Stauffer, und präsentiert sich dabei keineswegs als Rampensau. Im Gegenteil! Selbst in virtuosen Variationssätzen nimmt er sich zurück und spielt nicht sich, sondern die Musik, die er da präsentiert, in den Vordergrund. Unter den (eigenen) Transkriptionen sind ein paar Repertoire-Höhepunkte, zum Beispiel die C-Dur-Klaviersonate KV 545 (erster Satz) oder der „Türkische Marsch“ aus der Sonate KV 331 und „Lacrimosa“ aus dem „Requiem“ – alles Stücke, die jeder kennt, an die sich aber Gitarristen bisher nicht mit nachhaltigem Erfolg gewagt haben. Man wird sehen, welche Verbreitung die Ausgabe findet! Die CD jedenfalls sollte Gitarristen einladen, sich mit dieser Musik zu beschäftigen!