Giuliani pop

Metaphysical Tobacco CDThe Tudors: Metaphysical Tobacco
Songs and Dances by Dowland, East & Holborne
Musica Reservata, Michael Morrow; Purcell Consort of Voices, Grayston Burgess
Aufgenommen im Oktober 1967, erschienen 1968, Neuausgabe 2015
DECCA Eloquence 480 7740, im Vertrieb von Klassik Center Kassel
… Viel Pathos, viel Akademie, wenig Leben! …

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Die Aufnahme für diese CD stammt aus einer Zeit, als „Alte Musik“ noch ein Programm für Spezialisten war. Das war vor Leonhardt und Harnoncourt … aber immerhin zu Zeiten von Julian Bream mit seinen epochemachenden Aufnahmen zusammen mit Peter Pears und von Alfred Deller, der sich als Counter-Tenor sehr um das englische Repertoire des Barock verdient gemacht hat.

Vor uns liegen nun „Songs and Dances by Dowland, East and Holborne“ und zwar in Besetzungen, die damals, vor fast fünfzig Jahren, eher gepflegt wurden, als heute. Seit der ersten LP, die Julian Bream und Peter Pears im Jahr 1955 aufgenommen haben (DECCA LW 5243), waren Lautenlieder immer wieder in Konzerten und auf LP/CD zu hören, und zwar vornehmlich (bis ausschließlich) in der Besetzung Tenor und Laute, gelegentlich aber auch mit Begleitung einer Gitarre oder mit Sopranstimmen. Die Möglichkeiten, die beispielsweise folgende Besetzungsangabe in John Dowlands „First Booke of Songes or Ayres“, bietet, blieben dabei weitgehend unbeachtet: „So made that all partes together, or either of them severally may be song to the Lute, Orpherian or Viol de gambo.“

Hier wird das Lied „Sorrow stay“ von John Dowland mit Gambenquartett gegeben, das quirlige „What if I never speed“ dagegen mit Lautenbegleitung. „Can she excuse“, auch bekannt als „The Earl of Essex’s Galliard“, wird nach einer zeitgenössischen Bearbeitung von William Tisdall (Manuskript im Fitzwilliam Museum in Cambridge) auf dem Virginal (oder Cembalo) gespielt.

Die instrumentalen Möglichkeiten, die in den vielen Lautenliederbüchern angeboten werden, hier werden sie praktisch angewandt. Auf diese Art werden Möglichkeiten eröffnet, die naturgemäß bei rein liedmäßigen Aufführungen versteckt bleiben … hier aber doch der eher altväterlichen Art zu musizieren zum Opfer fallen. Vergleicht man die Aufführung mit dem, was man vom Harp Consort unter Andrew Lawrence-King oder von Paul O’Dettes The King’s Noyse gewohnt ist, meint man, die Aufnahme von 1967 erst einmal entstauben zu müssen. Viel Pathos, viel Akademie, wenig Leben!

Dabei liefert der Titel der CD ein Motto, das englischen Humor versprüht: „Metaphysical Tobacco“. Er geht zurück auf einen alten Spottvers aufs Rauchen …

O metaphysical tobacco
Fetched as far as from Morocco
Thy searching fume
Exhales the rheum
O metaphysical tobacco

… und der ist mindestens vierhundert Jahre alt! Schließlich hat erst Kolumbus den Tabak aus der Neuen Welt mitgebracht.

Zum Schluss noch ein Wort zum Reimschema des Tabaklieds. Es ist, so jedenfalls haben es Wissenschaftler im Netz sehr überzeugend dargestellt … der vielleicht erste englische Limerick! In Zeilen 3 und 4 wird zu Jamben gewechselt, das weicht von der Urform ab, außerdem sind die erste und die letzte Zeile identisch. Aber sonst? Man kann Marco Graziosi für den Beitrag nur danken!