Giuliani pop

Mertz Salvoni II CDCaspar Joseph Mertz
Dances, Nocturnes, Etudes for six-string guitar
Graziano Salvoni, Gitarre
Aufgenommen März–April 2013, erschienen 2014
Gitarre: Johann Anton Stauffer 1827
2 CDs BRILLIANT CLASSICS 94653
… mit allem gebotenen Respekt …

 

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Über Graziano Salvoni und seine Bemühungen um Caspar Joseph Mertz konnten Sie hier schon lesen. Was uns bei Erscheinen der ersten Besprechung nicht bekannt war, ist, dass Graziano direkt anschließend an die erste Doppel-CD mit Bardenklängen eine zweite Sammlung mit Werken von Mertz aufgenommen hat: Dances, Nocturnes, Etudes. Hier ist sie!

Die Tänze, Nocturnes und Etüden sind, nach Opusnummern sortiert, ins CD-Programm aufgenommen worden. Es beginnt folglich mit op. 1: „Verlands Blüthen – Originelle Ungarische“. Beinahe wäre ich über diesen kryptischen Titel gestolpert und hätte aus „Verlands Blüthen“ „V[at]erlands Blüthen gemacht – hätte die Schuld für das Missverständnis also dem Notenstecher oder dem Verleger in die Schuhe geschoben. „DTitel Vaterlands Bluethenie beiden Buchstaben [at] sind einfach vergessen oder vom Notenstecher übersehen worden!

In beiden großen europäischen Sammlungen mit Gitarrenmusik, der Rischel- und Birket-Smith Sammlung in Kopenhagen und der Boije-Sammlung in Stockholm, befinden sich Exemplare der Erstausgabe des Stücks und beide heißen (natürlich!) „Vaterlandsblüthen“ (s. beiliegend ein Faksimile). Graziano Salvonis Versuch einer Übersetzung des missglückten Titels entlarvt ihn dann: „In Op. 1, Verlands Blüthen [sic] – Originelle Ungarische (The Land’s Temperaments – Original Hungarian), the spirit of Hungarian music is wonderfully rendered in six dances …“ [S. 7] Er hat den falschen Titel ins Spiel gebracht und bis zum Schluss verteidigt. Einen Redakteur für Booklets scheint es beim Label nicht zu geben und so ist der Name veröffentlicht worden und – jetzt wird’s tragisch! – in unzählige Internetseiten gerutscht. Dort gibt es jetzt ein Werk von Mertz mit dem Titel „Verlands Blüthen“. Googeln Sie mal Verlands Blüthen!

Dass „Originelle Ungarische …“ mit „Original Hungarian …“ übersetzt wird, ist, wenn nicht inkorrekt, dann doch wenigstens ungeschickt und der Tatsache geschuldet, dass die deutsche Sprache mehr Nuancen bereithält, als die englische. Im Englischen hält man für „originell“ Übersetzungen wie „novel“ bereit, was es auch nicht wirklich auf den Punkt bringt, oder Umschreibungen wie „with originality“, was am ehesten passt, allerdings umständlich wirkt.

Es gibt mehr peinliche Druckfehler! Die „Steyer Tänze“ op. 33 heißen eigentlich „Steyrer Tänze“, weil sie aus der Steiermark kommen. Hinter dem Verlagsort „Monaco“ verbirgt sich keineswegs das Fürstentum Monaco an der Côte d’Azur, sondern Monaco di Baviera, also München (auf Italienisch).

Ich würde das Stück übrigens so in Verzeichnisse aufnehmen:

ORIGINELLE | Ungarische | Vaterlands-Blüthen. | für die | GUITARE | Componirt und | Sr. Hochgeborn dem Herrn | ANTON DAN: VON JOSIPOVICH, | […] | ehrfurchtsvoll gewidmet | von | J. K. Mertz. | 1tes Werk. | […] | Wien, bei Tobias Haslinger

Dass die Zeilen 2/3 mit der ersten Zeile vertauscht sind, hat lediglich Layout-Gründe. So passte es halt besser.

Nun ist Graziano Salvoni eigentlich Gitarrist und nicht Redakteur oder Autor. Und als Gitarrist macht er sich gut! Das war bei seinen Bardenklängen schon so und das gilt auch für die Sammlung, die hier und heute Thema ist. Salvoni spielt mit allem gebotenen Respekt, klangbewusst und irgendwie diskret … das heißt, eine Rampensau wie viele seiner jungen und erfolgreichen Kollegen, ist er nicht. Er dient der Musik — nicht umgekehrt! Und er beherrscht sie — auch nicht umgekehrt!