Giuliani pop

Sor Coeste Music for guitar duoFernando Sor & Napoléon Coste
Complete Works for Guitar Duo
Claudio Maccari & Paolo Pugliese
Aufgenommen im März und September 2008
Gitarren: Gaetano II Guadagnini, 1830; Joseph Pons, 1825; René Lacôte, 1824, 1825 und 1827; Fabio Zontini (nach Louis Panormo), 2007
2 CDs BRILLIANT Classics 93898
… walzern, wie man in Pariser Salons gewalzert hat …

CDs bei Amazon bestellen?

Dass Fernando Sor (1778–1839) Stücke für zwei Gitarren geschrieben hat, wissen wir. Auch, dass sein Duo-Partner in Paris Dionisio Aguado (1784–1849) war, und dass er ihm, Aguado, ein berühmtes Stück für zwei Gitarren gewidmet hat: „Les Deux Amis“. Die Erstausgabe dieser Komposition war nicht nur expressis verbis mit „COMPOSÉE ET DEDIÉE à Monsieur Denis Aguado“ überschrieben, sie war zudem so gedruckt, dass die Stimme der ersten Gitarre im Druck nicht – wie sonst üblich – mit „Première Guitare“ bezeichnet war, sondern mit „SOR“ … die der zweiten entsprechend nicht mit „Deuxième Guitare“, sondern mit „AGUADO“.

Wie Aguado ging auch Napoléon Coste (1806—1883) nach Paris, um Bekanntschaft mit dem berühmten Fernando Sor zu machen. Das war 1830. Coste studierte bei Sor und machte schließlich auch Karriere als Gitarrist – leider flachte aber die Begeisterung, die noch ein paar Jahre vorher für das Instrument aufgebracht worden war, zunehmend ab. Auch nicht der ambitionierte Wettbewerb des Grafen Nikolaj Makarov 1856 in Brüssel, den Johann Kaspar Mertz vor Napoléon Coste gewinnen konnte, hatte darauf Einfluss. Als sich Coste dann im Jahr 1863 in einem Unfall den rechten Arm brach, hatte es ein Ende mit seiner Laufbahn als Gitarrist.

Auch für Coste hat Fernando Sor eine Komposition für zwei Gitarren geschrieben: „Souvenir de Russie“ op. 63 von 1838/1839. Dionisio Aguado im Gegenzug hat, um nun meine Repertoire-Betrachtungen abzuschließen, ein Duo namens „Les deux amis“ für Sor komponiert.

Claudio Maccari und Paolo Pugliese spielen auf historischen Gitarren … wenn man von ihnen aber ein sparsames Dosieren von Tempo und Virtuosität erwartet, ist man auf dem Holzweg. Sie spielen elegant und walzern, wie man in Pariser Salons gewalzert hat – können aber auch, zum Beispiel im zweiten Satz von „L‘Encouragement“ op. 34, ziemlich sportiv auftreten, wie man es von historisch orientierten Musikern eigentlich nicht erwartet. Nun sind die Virtuosen auch vor zweihundert Jahren wegen ihres Spiels so betitelt worden … aber verstanden sie und ihr Publikum vielleicht das Wort „Virtuosität” anders? Es geht zurück auf das lateinische „virtus“, was „Tugend“ bedeutet. Ein Virtuose ist demnach ein Tugendhafter, einer, der seine Kunst beherrscht und nicht unbedingt einer, der Rekorde brechen will. Aber war nicht Niccolò Paganini (1782–1840) der Inbegriff eines Virtuosen? Er wurde wegen seiner zirzensisch-artistischen Kunststücke auf der Violine (und auch auf der Gitarre?) überall in Europa gefeiert und bewundert. Später wurde Franz Liszt (1811–1886), von Hector Berlioz (1803–1869) „Le Roi des Pianistes“ genannt, der „König der Pianisten“ – wegen seiner spieltechnischen Perfektion und seines extrovertierten Auftretens.

Virtuosen hat es also vor zweihundert Jahren schon gegeben … auch solche, die durch spieltechnische Tugenden auffielen. Im neuen bürgerlichen Publikum des 19. Jahrhunderts wurde sogar einzelnen Musikern gegenüber eine Art Geniekult gepflegt, der ungewohnte internationale Karrieren ermöglichte.

Variationssätze waren Spielfelder für spieltechnische Besonderheiten … und sind es heute noch. Auch Maccari & Pugliese erliegen gelegentlich der Versuchung, besonders schnell zu spielen. Schneller als andere … den Eindruck hat man jedenfalls. Aber, wie gesagt, sie können auch schwelgen und in sehr pointiert vorgetragenen Passagen glänzen.

Noch ein Wort zur Ausstattung der CD: Brian Jeffery (*1938) hat die Begleittexte geschrieben. Nicht nur hat man damit den prominentesten Sor-Kenner überhaupt für dieses Projekt gewinnen können, man hat den Käufern, als i-Tüpfelchen sozusagen, neben dem künstlerischen auch noch ein literarisch-intellektuelles Vergnügen gegönnt!