Giuliani pop

Amours Amours AmoursKarl-Ernst Schröder und Crawford Young
Amours—Amours—Amours, Lute Duos around 1500
Intabulierungen und Tanzsätze aus frühen gedruckten und handschriftlichen Tabulaturen
Eine Produktion der Schola Cantorum Basiliensis, aufgenommen im Mai 2001, erschienen 2015
Lauten: Richard C. Earle und Joel van Lennep
Note1 CCD 922513
… eine enorm kurzweilige CD! …


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Es war die Zeit, als die Lautenspieler das Plektrum abschafften und begannen, mit den Fingerkuppen anzuschlagen; als die ersten gedruckten Tabulaturen zur Verfügung standen und als man sich traute, die ersten fast autonomen Instrumentalkompositionen zu schreiben und sogar zu veröffentlichen … unabhängig von gängigen Tanzformen und von der beherrschenden (sakralen) Vokalmusik.

Der Venezianer Ottaviano Petrucci war der erste Drucker und Verleger, der Lautentabulatur-Bücher herausbrachte – darin enthalten sind Ricercari, Tänze Intabulierungen und sogar die ersten Stücke für zwei Lauten.

Im Januar 2001 veranstaltete die Schola Cantorum Basiliensis ein wissenschaftliches Symposion über Ottaviano Petrucci als Musikverleger. Anlässlich dieser Veranstaltung gaben Karl-Ernst Schröder und Crawford Young ein Konzert mit frühen Lauten-Duos – darunter natürlich die sechs Stücke aus den beiden Tabulaturen, die Petrucci 1507 herausgegeben hat (Francesco Spinacino, „Intabulatura de Lauto“ Libro primo“ und „secondo“). Leider hat es danach vierzehn Jahre gedauert, bis die Aufnahme, die im Zusammenhang mit diesem Konzert entstanden ist, als CD herausgekommen ist. Jetzt liegt sie vor!

Die CD enthält knapp eine Stunde Musik … viel mehr, als es an Lautenduos aus dieser Zeit gibt. Wie das Programm trotzdem zustande gekommen ist, schildern die Musiker so: „Wir gingen […] so vor wie die frühen Lautenisten und arrangierten uns das Repertoire selbst.“ Und das machten sie gut!
Schröder & Young konnten beim Inta
bulieren auf die künstlerischen Ergebnisse von, sagen wir, rund hundert Jahren Praxis in dieser Kunst zurückblicken. Kurz nach 1600 war nämlich Schluss damit, Laute und Lautenmusik hatten sich verändert.

Zu Petruccis Zeit gehörten Intabulierungen allerdings noch zum vorherrschenden Repertoire und auch die sechs Stücke für zwei Lauten in seinen Lautenbüchern waren Adaptionen: „Juli amours“ nach Johannes Ghiselin zum Beispiel oder „De tous bien“ nach Hayne van Ghizeghem. Letztere zweistimmige Chanson gehört zu den Stücken im Programm von Schröder & Young, die sie in der Begleitung um eine dritte Stimme ergänzt haben, weil „die in langen Notenwerten aufgezeichnete Stimme auf der Laute zu »leer« klang.“ Auch das Stück „Amours—Amours—Amours“, das dem Gesamtprogramm von Schröder & Young den Namen gegeben hat, ist von den Interpreten bearbeitet (intabuliert) worden. Als Quelle hat ihnen die Chanson dabei im ältesten überlieferten Druck mit mehrstimmiger Musik überhaupt vorgelegen, in Petruccis „Harmonice Musices Odhecaton“ von 1501.

Das Ergebnis der Bemühungen von Karl-Ernst Schröder und Crawford Young ist eine enorm kurzweilige CD! Nicht nur haben sie ihr Repertoire mit hoher Sachkenntnis und feinem Geschmack ausgewählt und bearbeitet, ihre Darbietung strahlt dazu Spielfreude und Lust an Virtuosem aus, am Spielen und Umspielen, am Fantasieren und Improvisieren. Ob Francesco Spinacino vor fünfhundert Jahren auch so gespielt hat, weiß man nicht – wenn man aber liest, wie Lautenisten zu seiner Zeit gelobt und gepriesen worden sind, weiß man: Es muss ähnlich betörend wie das von Schröder & Young gewesen sein.

Die Annahme, Lautenmusik-Programme, die fast ausschließlich aus Intabulierungen bestehen, seien a priori trocken oder gar langweilig, wird beim Hören dieser CD widerlegt! Ich empfehle als Beispiele „La morra“ nach Heinrich Isaac (# 4) oder „La Bernardina“ nach Josquin Desprez (# 10).