Foto 1: Mihail Obrenović (1823—1868) ist bekannt dafür, dass er Serbien von den Osmanen unabhängig gemacht und dass er die Verwaltung des Landes modernisiert hat. Sein Denkmal steht am Trg Republike, dem Platz der Republik in Belgrad … vor dem Nationalmuseum und gegenüber der Oper. (alle Fotos: © 2009 by Peter Päffgen)
Respekt … das kommt vom lateinischen Wort re-spicere = „zurückschauen", „Rücksicht nehmen" oder auch „noch einmal schauen". Unter dem Motto „Respect" stand das diesjährige „Guitar Art Festival" in Belgrad. „Respect." ... oder doch „Respect!"?
Serbien leidet seit den Kriegen in und um Jugoslawien unter erheblichen Image-Problemen im Verhältnis zu den europäischen Nachbarn und gegenüber der weltweiten Staatengemeinschaft. Bill Clinton, der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, und die NATO waren es, die das Land zu den „Schurkenstaaten" zählten und schließlich auch militärisch gegen es vorgingen. Sie erinnern sich? Serbien war größter Teilstaat Jugoslawiens und nach dem Zerfall der Sozialistischen Republik Jugoslawien auch alleiniger Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien. Nach dem Tod von Josip Broz Tito (1892-1980), dem Schöpfer und diktatorischen Verwalter des Staatenverbunds Jugoslawien, waren unter den Teilstaaten vermehrt separatistische Tendenzen zu bemerken, die fordernder wurden, als die Mauer fiel und als abzusehen war, dass die sozialistische Ära in Osteuropa zu einem Ende kam.
Aus dem Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit wurde ein Krieg, unter dem die Zivilbevölkerung enorm zu leiden hatte ... jetzt, aus der Entfernung von mehr als zehn Jahren, sind uns Ereignisse und Bilder wie das „Massaker von Sebrenica" in Erinnerung oder die Zerstörung der symbolträchtigen „Alten Brücke" von Mostar. Und an Personen erinnert man sich. An Radovan Karadžić zum Beispiel, den ehemaligen Präsidenten der „Republika Srpska" in Bosnien und Herzegowina, der im Juli 2008 verhaftet wurde, nachdem er unbehelligt zwölf Jahre in Belgrad gelebt hatte. Seit Juli 1996 war er per Internationalem Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen, Völkermord und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gesucht worden - heute steht er vor dem „Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien" in Den Haag. Und an General Ratko Mladić (*1945) erinnert man sich, der ebenfalls wegen Kriegsverbrechen angeklagt ist, und zwar nicht nur gegenüber Landsleuten, sondern auch UN-Schutztruppen in Zebrenica. Ihn konnte man bisher nicht festnehmen, weil er sich wie Karadžić in Belgrad versteckt hält - das jedenfalls wird vermutet und man hat gute Gründe für diese Annahme.
Aber Respekt! Deutschland bestand und besteht nicht aus Nazis oder Handlangern der Stasi und Serbien nicht aus skrupellosen Personen, wie es Karadžić oder Mladić offenbar waren. und Respekt auch für die Veranstalter dieses Festivals, das zum zehnten Mal in Belgrad stattgefunden hat, nicht immer in der opulenten Form wie in diesem Jahr, aber immer schon abgehoben von vielen anderen Veranstaltungen der europäischen Gitarrenszene ... abgehoben, weil es nicht eines dieser Festivals ist, wo eine Hand die andere wäscht, wo man sich gegenseitig einlädt und so den Gitarren-Wanderzirkus am Leben erhält. Solche Kongresse, Symposien, Meisterkurse oder Gitarrentage finden immer in kleineren bis ganz kleinen Städten statt; die Konzerte, die dort stattfinden, haben meist wenig mehr Besucher, als das Festivals eingeschriebene und zahlende Gäste; die Lehrer, Dozenten und auftretenden Künstler garantieren sich gegenseitig ihre „internationalen Karieren" ... hier ist alles anders! Belgrad ist kein Provinznest, sondern die serbische Hauptstadt; Konzerte finden hier in großem Rahmen statt und haben ihr Publikum; die vortragenden Künstler treten hier nicht „auf Gegenseitigkeit" auf, sondern weil sie en vogue sind und den Veranstaltern volle Säle garantieren ... und natürlich, weil sie gute Gagen bekommen. Konzerte, Meisterkurse, Wettbewerb - das sind die Programmbestandteile, die binnen einer Woche ablaufen. Lassen Sie mich einen nach dem anderen schildern, beginnend mit den Konzerten.Konzerte
Die Stadt war, als ich nach Belgrad kam, unübersehbar plakatiert: Sting & Edin Karamazov einerseits – Ennio Morricone mit der Roma Sinfonietta andererseits, dazwischen Vicente Amigo. Das waren die unübersehbaren Stars des Festivals ... oder sagen wir es so: Sie waren die Künstler, bei denen man es sich nicht leisten konnte, sie vor halb leeren Sälen antreten zu lassen. Teurer Spaß!
Gut, bei Sting hätte man sich so große Werbung vielleicht sparen können. Er ist enorm populär, auch hier in Serbien, allerdings nicht für das Repertoire, das er an diesem 8. Februar 2009 zusammen mit Edin Karamazov vorstellte. Dowland! Über seinen Ausflug ins Land der Alten Musik ist schon berichtet worden und auch über den Reiz, den seine Interpretationen ausüben, und doch: Als Sting dann als Zugabe „Message in a Bottle" oder „Every Breath you Take", begleitet auf einer Laute, ansang, ging dieses berühmte Raunen durch den Saal. Nein mehr: Die Leute klatschten, weil das schließlich die Musik war, die man erwartete und nicht „Fine Knacks for Ladies" oder „Come Again". Aber egal: Sting war auf der Bühne, der Saal des Sava Centar war voll (gut viertausend Menschen) und alle waren zufrieden.
Ja, alle! Dies war nicht „Alte Musik" nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung - aber es war vitale Musik mit Biss und Drive. Und Sting hat sich auch später in einem Gespräch als sympathischer Musiker vorgestellt, als Intellektueller, für den Musik viel mehr ist, als Broterwerb und diese alte Musik viel mehr als ein Spaß am Rande. Und dem Vernehmen nach ist auch die Deutsche Grammophon zufrieden, die Stings Dowland-Platte herausgebracht hat. Anfang Februar 2009 näherten sich die Verkaufszahlen der Zwei-Millionen-Grenze ... davon konnten und können Peter Pears und Alfred Deller oder die wunderbare Emma Kirkby und aller Plattengesellschaften nur träumen!
Schon einen Tag vorher spielte Vicente Amigo mit seiner Gruppe. Auch im Sava Centar - auch fast voll! Jeder, der Flamenco erwartet hat, musste eigentlich enttäuscht sein - wer freie Gitarrenakrobatik hören wollte, virtuose Pseudo-Improvisationen auf Themen des Weltrepertoires, der wurde begeistert. Freilich hatte die Musik flamencoïde Züge - vor allem dann, wenn der Sänger Miguel Pérez Ortega mitmischte - aber Flamenco war es nur gelegentlich. Den Flamenco puro, den zum Beispiel Paco Peña gespielt hat und spielt, pflegen nur noch die konservativen Gralshüter der Kunst.
Vielleicht ist der Zuhörer, der sich vornehmlich mit klassischer Musik umgibt, zu wenig an musikalische Sphären gewöhnt, die sich in ständigem Wandel und Fortschritt befinden. Vielleicht entwickelt sich der moderne Flamenco aber auch in eine falsche Richtung oder, sagen wir, in eine Richtung, die nicht jeder versteht oder billigt. Wie gesagt: Flamenco „im eigentlichen Sinn" ist es nicht mehr, aber es ist gute, unterhaltende Musik.
Das musikalische Wochenende war vorüber, die Wettbewerbe begannen und die allabendlichen Konzerte zogen um in den Kolarac-Saal. Hier fühlten sich die erfahrenen Besucher von Gitarren-Recitals eher zuhause ... vielleicht sechs bis siebenhundert Plätze.
Mit dem Lokalmatador Vojin Kociæ begann der Reigen des ersten Abends. Kociæ kommt aus Belgrad und er hat 2008 den ersten Preis des Belgrader Wettbewerbs gewonnen. Ihm gehörten, wie kann es anders sein, die Sympathien der Zuschauer ... und er spielte gut: Koshkin und Regondi.
Danach kam Edin Karamazov - jetzt aber ohne seinen Sozius Sting, sondern im Rahmen eines nach ihm benannten Quartetts, bestehend aus Alina Gubajdullina, Violine, Korana Rucner, Viola, und Jasen Chelfi, Cello. Er selbst, Edin, spielte auch nicht Laute, wie einen Abend vorher, er spielte Gitarre. Elektrogitarre!
Auf dem Programm standen eine Partita, original für Violine, von Johann Sebastian Bach und ein Quartett von Wolfgang Amadeus Mozart. Der Klang der Gitarre war gewöhnungsbedürftig, der musikalische Eindruck überzeugend: Karamazov ist eben wirklich der musikalische Tausendsassa, als den ihn die Deutsche Grammophon verkauft!
Und dann kam das dritte Konzert des Abends, mit hohen Erwartungen belastet und von vielen neugierigen Zuhörern, die außergewöhnliche Spieltechnik und extraordinäre Transkriptionen ahnten, herbeigesehnt. Yamashitasan spielte eine Sonate (Nº 1: „The Blue Flower") seiner Ehefrau Keiko Fujiie. Siebzig Minuten ... gefühlte hundert! Die Sonate war eine Sonate im eigentlichen Sinne des Wortes, mit allem, was man von klassischen Sonaten zu hören gewohnt ist. Nur in unsäglicher Länge und nicht wirklich so strukturiert, dass die Zuhörer dem Werk zu folgen bereit waren. Vier Sätze - bei jeder Pause verließen reihenweise Zuhörer den Saal. Gut, das lag auch daran, dass der Konzertabend lang genug war und dass es zu so später Stunde schwierig ist, die Menschen im Auditorium noch auf ein neues Abenteuer einzustimmen ... aber die Musik war einfach nicht gut genug, eine Art neuer Aufguss musikalischer Phrasen des 19. Jahrhundert! Schade, auch ich hatte hohe Erwartungen an das Konzerte von Yamahsita! Er hatte mit seinen Transkriptionen zwanzig Jahren vorher die Gitarristen fasziniert und gleichzeitig entsetzt - an diesem Abend gab es nur noch Enttäuschung!
Der nächste Abend: Die Chinesin Xufei Yang trat nicht an. Sie hatte, so die offizielle Erklärung, Schwierigkeiten mit Ihren Visum. Pech, denn sie hätten Viele gern gesehen und gehört. Pavel Steidl spielte und mit ihm die Geigerin Gabriela Demeterova. Wunderbar! Sie präsentierten nicht das, was im Programm versprochen wurde, aber sie spielten wunderbar! Offenbar mussten viele Programm kurzfristig umgestellt werden, weil niemand davon ausgegangen ist, dass drei Konzerte pro Abend untergebracht werden mussten ... Zugaben waren ohnehin unerwünscht. Paganini, Piazzolla („L'Histoire du Tango"). Dass Pavel ein Ausnahmemusiker ist, muss nicht erwähnt werden. Dass er hier mit einer kongenialen Kollegin auftreten würde, war vorauszusehen ... aber dass sie so zu überzeugen wusste, war ein Extra. Vor allem Gabriela brillierte mit virtuosen Bravourstücken, aber insgesamt war das eine mehr als überzeugende Darbietung.
Roland Dyens: Er improvisierte wieder einmal vor sich hin, gekonnt und wie immer überzeugend. Und er bereitete vor, was nach ihm da noch kommen sollte: Brasilien. Das hat Roland immer schon verstanden: Sein Publikum für sich einzunehmen und bestimmte klanglich-musikalische Teppiche auszubreiten. Hier war es ein brasilianischer Teppich, auf dem schließlich Badi Assad, erst allein und dann zusammen mit Roland, auftrat. Badi verblüffte ihr Publikum und faszinierte es mit ihrem mehrstimmigen Gesang und ihrer Bühnenshow. Sie spielt zwar Gitarre, aber sie ist keine Gitarristin. Und sie singt auch, ohne Sängerin zu sein. Aber sie liefert eine perfekte Show, die ihresgleichen sucht, mit verblüffenden vokalen Effekten, die eine tropische Atmosphäre zaubern und das berührte das Belgrader Publikum!
Heimspiel: Am Tag danach spielten serbische Gitarristen! Volles Haus und hoher Sympathiefaktor ... und gute Musik! Im ersten Programmteil gab jeder seine Visitenkarte ab, zehn Minuten Musik. Vera Ogrizović, Professorin für Gitarre an der Belgrader Akademie und eine wunderbare Kollegin, begann mit Narváez und Bogdanovic. Kaum hatte sie mit ihrem kleinen Programm begonnen, war sie leider schon von der Bühne. Darko Karajić kam, der nicht Gitarre, sondern Deutsche Barocklaute spielte, und zwar eine Satzfolge von Silvius Leopold Weiss. Aleksandar Hadži Ðorðević spielte, dann Vesna Petković , Miloš Janić, Srðan Tošić, Zoran Anić (mit einer höchst vergnüglichen Sonate von Heinrich Albert übrigens, die man selten hört) und zum Abschluss Zoran Krajišnik zusammen mit dem Klarinettisten Aleksandar Tasić. Sie gaben eine Sonate von Radamés Gnattali und zwei Sätze aus „L'Histoire du Tango" von Piazzolla, beides sehr argentinisch, sehr musikalisch.
Schließlich, um den serbischen Abend komplett zu machen, trat dann noch Dušan Bogdanović mit seinem Ensemble auf. Dušan hat in Genf bei Maria Livia Sao Marcos studiert und danach seinen Weg in die USA gefunden, wo er blieb. Ich kenne ihn eigentlich nur als Bürger des Staates California, wo er seit vielen Jahren lebt und arbeitet. Eben dort, in Pasadena um genau zu sein, habe ich ihn vor vielen Jahren kennen gelernt, und zwar spielte er damals in einem Trio, das sich „de Falla Trio" nannte, und das alles andere als de Falla spielte. Damals hörte ich in der ersten Hälfte des Konzerts Leonard Bernstein (eine Suite aus der „West Side Story" und andere Repertoire-Hits) und in der zweiten Variationen über Jazz-Standards ... und ich war begeistert! Seitdem habe ich den Musiker nicht mehr mit solchen Musiken gesehen und übrigens auch nicht im Trio von damals. Überhaupt bin ich ihm selbst eher selten begegnet, wohl aber seinen Stücken. Einige davon geisterten und geistern durch das Repertoire vieler Gitarristen, darunter die „Balkan Miniatures" oder die „Jazz-Sonatina" und die „Levantine Suite". „Canticles" für zwei Gitarre ist hier untersucht und analysiert worden und durch Gruber/Maklar bekannt.
Dušan Bogdanović ist nicht nur in der Gitarrenwelt aktiv und er komponiert auch nicht nur für Gitarre. Am 11. Februar gab es zunächst ein Werk für Mezzo-Sopran, Flöte, Gitarre und Kontrabass, danach die Erstaufführung von „Over the face of the Water" für zwei Klaviere und schließlich „Byzantine Theme and Two Variations" für Gitarre und Streichquartett". Das Programm zeigte die Vielseitigkeit des Komponisten und seine Vorliebe für Gratwanderungen. Zwischen der Alten und der Neuen Welt hat er sich vor Jahren entschieden ... im „Byzantine Theme and Two Variations" zeigt er seine kulturellen Wurzeln, die er auch in Kalifornien nicht vergessen hat ... auch, wenn er vor vielen Jahren „I Like to be in America!" jubelte. Auch das wuchtige Werk „ Over the Face of the Water" für zwei Klaviere ließ zwischen den minimalisierten klanglichen Blöcken Tonlichkeit des Balkans ahnen ... „Niemals geht man so ganz!"
Das Konzert von Dušan Bogdanović war weitaus weniger spektakulär als die von Sting et. al., aber es war sicher ein Höhepunkt der Woche, für viele vielleicht sogar der Höhepunkt.
Der nächste Abend. Das Naxos-Guitar Trio spielte. Nie gehört? Wenn ich Ihnen die Namen der Trio-Mitglieder nenne, werden Sie das nicht mehr sagen! Das Naxos-Trio besteht aus Costas Cotiolis, Aniello Desiderio und Zoran Dukić. Das Ensemble ist sicher auch kein „stehendes Ensemble", das ständig miteinander probt und konzertiert, es ist eine Verlegenheitslösung. Drei Ausnahmemusiker, die sich sehr gut kennen, und die auf Festivals immer wieder zusammenkommen, hatten die Idee, auch zusammen aufzutreten. Und dann haben Sie ein ebenso kurzweiliges wie attraktives Programm zusammengestellt, das ihr Instrument, die Gitarre, in immer wieder anderen Facetten zeigt. Das Konzertprogramm des Trios enthält nur ein einziges Trio - das allein zeigt, dass Sie nicht wirklich auf neue Produktionen des Naxos-Trios warten müssen, jedenfalls nicht mit neu entdeckten Werke für drei Gitarren. Schließlich haben „Die drei Tenöre" auch nicht nur Terzette des Opernrepertoires präsentiert!
ABER DOCH: Dies war ein außerordentlicher Konzertabend! Cotsiolis hat, wie gewohnt, Barrios und Brouwer gespielt, Desiderio, nach angekündigter Programmänderung, „Asturias" (was alle kannten, denn alle raunten), Zoran Dukić erinnerte noch einmal an seinen Landsmann Dušan Bogdanović und spielte hinreißend schön dessen „Balkan Miniatures", dazwischen kamen der eine und andere Hit des Duo-Repertoires ... Sie wissen: Mallorca, Córdoba et. al. ... und dann, dann, dann schließlich kam der Publikumsrenner, der Hit des Tages: „Circus Music" von Carlo Domeniconi. Sogar der neben mir sitzende Oscar Ghiglia meinte ganz aufgeregt: „Ich muss Carlo anrufen, ob er mir eine Kopie der Noten schickt". Aber es gibt sie schon, die Noten! Bei Margaux sind sie erschienen.
Was nun ist diese „Circus Music", warum war das Publikum so begeistert? Circus Music ist eine Art Suite, in welcher eher Schauspieler oder Comedians als Musiker gefordert sind. Zwei Akteure sitzen sich gegenüber und erzählen dem Publikum Witze ... nein ... sie spielen alle möglichen Episoden und dazu bedienen sie sich ihrer Gitarren. Jede Episode hat einen Titel, der an diesem Abend jeweils auf Serbisch und Englisch vorgetragen wurde. Natürlich sprach Aniello den serbischen und Zoran den englischen Text! Allein hierbei sprang das Lachen schon von den Akteuren auf das Publikum über. Pause.
Wer an diesem Abend nach der ersten Pause spielte, hatte es schwer. Das Publikum war verwöhnt worden und guter Stimmung. Vier Schweizer traten auf, das Eos Guitar Quartet, bestehend aus Marcel Ege, Martin Pirtkl, David Sautter und Michael Winkler. Auch hier war eher Spaß angesagt ... schließlich feiert das Quartett seinen zwanzigsten Geburtstag! Musik zwischen Máximo Diego Pujol und Ralph Towner gab es - sehr zum Vergnügen aller. Der Spaß war subtiler als der vor der Pause. So, wie Comedians die Kabarettisten inzwischen überrunden, wird der Sinn für feinen Humor immer seltener ... aber das Eos-Quartett wurde verstanden und goutiert. Roland Dyens' „Seul à seuls" hat mir besonders gefallen.
Einen Kommentar zum dritten Recital des Abends, dem von Roberto Aussel, muss ich mir leider verkneifen. Ich war überfüttert mit Gitarrenklängen und habe statt dessen (außerhalb des Konzertsaals natürlich!) interessante Gespräche geführt. Aber er muss phänomenal gespielt haben - ein Programm mit Stücken von Barrios, Piazzolla und Atahualpa Yupanqui.
Am nächsten Abend wieder das Sava-Centar: Vlatko Stefanovski spielte, einer der Superstar der ehemaligen jugoslawischen Musikszene. Vlatko ist Gitarrist, und zwar einer von der virtuosen, schnellen Art. Seine Improvisationen gehen auf Standards zurück, vornehmlich aber auf Themen, die unverkennbar vom Balkan stammen. Vor allem darin, in seiner Vorliebe für diese Klanglichkeit unterstützt ihn der Kaval-Spieler Theodosil Spassov, der auch an diesem 13. Februar 2009 seine Klasse zeigen konnte.
Der Kaval gilt als das Nationalinstrument Bulgariens und Mazedoniens. Es handelt sich um ein Blasinstrument, das sich aus einer türkischen Hirtenflöte entwickelt hat. Das Instrument ist zwischen 60 Zentimetern und einem Meter lang und hat sieben Grifflöcher für die Finger und eines für den Daumen. Da der Kaval kein Mundstück hat, wird er ähnlich wie ein Didgeridoo angeblasen und erlaubt viele sehr unterschiedliche Klangfarben. Ein sehr eindrucksvolles Klangbeispiel des Instruments, gespielt von dem enorm virtuosen und kreativen Theodosil Spassov, findet man bei YouTube unter:
Der Dritte im Bunde war Miroslav Tadić , ein Gitarrist, der in Italien und den USA ausgebildet worden ist und dort, in Los Angeles, selbst seit 1985 unterrichtet.
Das Trio dieses Abends lieferte mitunter aufregende, immer aber höchst unterhaltende Musik. Dem einen imponierte die ungeheure Virtuosität von Stefanovski, dem anderen das sehr lebendige und kreative Zusammenspiel der beiden Gitarristen und wieder andere, zu ihnen zähle ich, waren fasziniert von dem Zusammenklang mit dem Kaval, einem geheimnisvollen Instrument, das an diesem Abend perfekt in Szene gesetzt wurde.
Den kompletten Artikel über das Guitar Art Festival in Belgrad lesen Sie in Gitarre & Laute ONLINE XXXI/2009/Nº 1!