Giuliani pop

Yavor Genov KapsbergerGiovanni Girolamo Kapsberger: Libro primo d’intavolatura di lauto, 1611
Avor Genov, Laute
Aufgenommen im März 2012, erschienen 2013
Brilliant Classics 94409
… klanglich fragil …

Yavor Genov ist ein neues Gesicht in der internationalen Lautenisten-Szene. Er ist Bulgare, hat in Bulgarien auch studiert, um danach zu Jakob Lindberg zu gehen. Bei ihm hat er dann noch weiterstudiert: Laute und Generalbass.

Mit Musik von Giovanni Girolamo Kapsberger (1580—1651) hat er seine erste Solo-CD vorgelegt, und damit ein sehr anspruchsvolles Repertoire ausgesucht … anspruchsvoll, was die Spieltechnik angeht und auch die musikalische Darstellung dieser für ihre Zeit ziemlich revolutionären Musik. Kapsberger, der „Nobile Alemano“, der einmal Johann Hieronymus mit Vornamen geheißen hatte, war nämlich ein Revolutionär, ein kühner Neuerer mit hohen Anforderungen an Lautenspieler und an seine Hörer. Vor allem der Chitarrone interessierte ihn und für dieses neue Instrument hat er seinen ersten Band mit in Tabulatur aufgeschriebenen Stücken herausgegeben: Libro primo d’intavolatura di chitarrone, Venedig 1604.

 

Kapsberger TitelDie Musik der Zeit um 1600 war in einem Umbruch. Die seconda pratica, der begleitete solistische Gesang, bereitete den Boden für eine musikalische Schreibweise, die für mehr als hundert Jahre vorherrschend bleiben sollte: für den Generalbass. Dessen Bedürfnisse brachten rasch den Chitarrone hervor, ein stark im Bass erweitertes Lauteninstrument.

Aber auf seiner vorliegenden ersten CD spielt Yavor Genov Lautenstücke, die Kapsbergers Zeitgenossen insofern viel abverlangten, als der neue Stil harmonische Schärfe ins Spiel brachte, die man vorher nicht gehört hatte. Das Ziel der Musik war, den begleiteten Text verständlicher zu machen und die ausgedrückten Affekte zu unterstützen. Dafür wurde mit bisher fremden rhythmischen Modellen gearbeitet, die sich an Sprachrhythmen anlehnten außerdem mit chromatischen Verwerfungen, die bislang undenkbar gewesen waren. Gleich die erste Toccata des Buchs von Kapsberger belegt, wie grundsätzlich sich die musikalische Sprache verändert hatte. Da hört man mutige chromatische Passagen; virtuose Umspielungen mit Umwegen durch diverse Tonarten; und man hört ein selbstbewusstes Präsentieren dieser neuen Musik, die zur Zeit ihrer Entstehung sehr umstritten war.

Yavor Genovs Spiel ist klanglich fragil. Unsauberkeiten schleichen sich immer wieder ein oder … sagen wir … ungewollte Klangvarianten. Die virtuose Toccata Nº 2 ist dafür Beispiel und mehr noch Toccata Nº 4: In raschen Läufen und Figuren gibt es Töne unterschiedlicher Farbe, darunter auch solche, die man eher ahnen als hören kann und auch solche, die zwischendurch zum Geräusch mutiert sind; für Akkorde, die Yavor Genov übrigens prinzipiell arpeggiert, wünschte ich mir, dass sie in all ihren Bestandteilen und harmonischen Funktionen zum Wirken kämen.

Sieht man von technischen Unzulänglichkeiten ab, sind es vor allem Temposchwankungen, die mir an Yavors Spiel auffallen. Große Bögen, die Form und Gefüge abbildeten, kann ich mir nur selbst hinzudenken; Verfahren, die mit Akzentuierung und Phrasierung zusammenhängen, sind eher als kryptisch wahrzunehmen; ein leicht federndes, dynamische Spiel ersetzt er durch ein schwerfälliges, indifferentes … kurz: Ich bin nicht begeistert von Yavor Genovs Spiel. Seine Energie, sich mit dieser Musik und diesen Instrumenten zu befassen, ist allerdings zu unterstützen.