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Alexander Ivanov-Kramskoy auf CD
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Er ist eine Legende, gilt als der Erneuerer der klassischen Gitarre in Russland und als Bewahrer verloren geglaubter Traditionen: Alexander Ivanov-Kramskoy (26.8.1912—11.4.1973). Früh machte Joszef Powroźniak hier auf ihn aufmerksam (Gitarre & Laute II/1980/Nº 5, s.28—31): "Zum Hauptpfeiler der klassischen Gitarrenmusik gehörte der früh verstorbene Schüler Agafošyns Aleksandr Iwanow-Kramskoj (1912—1973). Dieser Künstler war nicht nur ein konzertierender Gitarrist und Lehrer, sondern auch Komponist ungefähr 500 origineller Werke, darunter zwei Konzerte für Gitarre und Orchester und eine Schule für klassische Gitarre, die in vielen Auflagen erschien."
Hier liegen nun Klangaufnahmen von Alexander Ivanov-Kramskoy vor, die er zusammnen mit dem Geiger Leonid Kogan und dem Cellisten Fyodor Lusanov 1950/1951 gemacht hat:
F. Gragnani, N. Paganini, M. Giuliani
Leonid Kogan, violin, Alexander Ivanov-Kramskoy, guitar, Fyodor Lusanov, cello
MELODIYA in Deutschland bei CODAEX, www.codaex.com, 1000655
Aufgenommen 1950/1951, erschienen 2008
Natürlich, die Violine ist das dominante Instrument dieses Repertoires, sie spielt die erste Geige, und doch haben wir es mit ausgewogener Kammermusik zu tun, die von den Musikern hier auch sehr sensibel das klangliche Ungleichgewicht auslotend gespielt wird. Die zwei kleinen Sonaten für Violine und Gitarre von Paganini (Opp. 2/1 und 3/4) sind die "Violinlastigsten". Sie belegen wortreich des Komponisten Anspruch darauf, zu den großen Virtuosen seiner Zeit zu gehören … und zwar auf der Violine, nicht der Gitarre, obwohl er auch dieses Instrument beherrscht hat! Hier kümmert die Gitarre als Begleitinstrument so vor sich hin. Das Allegretto der zweiten Sonate ist der keckste der insgesamt vier Sätze von Paganini — keck im Sinne von vorwitzig mit Virtuosität prahlend.
Moreno Torroba ohne Gitarre?
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- Geschrieben von Markus Grohen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Jeder Spanienurlauber weiß, wenn er nicht gerade als Ballermann- oder All-inclusive-Tourist reist, was eine Zarzuela ist. Ein Fischgericht nämlich, bei dem verschiedene Fischsorten zusammen mit Knoblauch und Gemüsen angebraten und dann in Wein gegart werden. Eine Zarzuela ist kein preiswertes Gericht, sondern ein eher anspruchsvolles, zu dem man Wein und keine Sangria oder ähnliche alemannisch-touristischen Getränke zu sich nimmt.
Wenn wir hier und jetzt von Zarzuelas sprechen, dann finden wir sie nicht auf Speisenkarten, sondern eher in Programmheften von Opernhäusern … und doch, genau hier beginnt das Problem. Schaut man in die musikalische und auch die musikwissenschaftliche Fachliteratur, dann findet man das Stichwort „Zarzuela“ dort durchaus, und zwar als Bezeichnung für eine Art „spanischer Operette“ … aber in Programmheften findet man den Terminus nicht mehr. Gut, mag man jetzt sagen, die „klassische“ Operette wird hierzulande ja auch noch höchsten in Altenstifts aufgeführt und dort mit Interpretinnen und Interpreten, die schon bei den Uraufführungen dabei gewesen sein könnten. Stimmt alles … aber jetzt kommt Placido Domingo [!] und bringt die Zarzuela zu neuer Blüte. Nicht im Stadttheater von Cádiz oder Pamplona, sondern bei den Salzburger Festspielen. Voilà:
Amor, vida de mi vida
Zarzuelas with Placido Domingo and Ana María Martínez
Mozarteum Orchester Salzburg, Jesús López Cobos
DVD medici arts (in Deutschland bei NAXOS) 20724768
Federico Moreno Torroba: Luisa Fernanda
Jesús López Cobos,Coro y orchesta Titular del Teatro Real, Plácido Domingo u.a.
CD Deutsche Grammophon [www.universalmusic.com] 0028947658252
Dabei bringt er einen Komponisten wieder ins Gespräch, den Viele schon zu denen gezählt haben, die nur durch Maestro Segovias Gnaden noch in Wikipedia zu finden ist: Federico Moreno-Torroba.
Respect! Internationales Gitarrenfestival in Beograd
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Foto 1: Mihail Obrenović (1823—1868) ist bekannt dafür, dass er Serbien von den Osmanen unabhängig gemacht und dass er die Verwaltung des Landes modernisiert hat. Sein Denkmal steht am Trg Republike, dem Platz der Republik in Belgrad … vor dem Nationalmuseum und gegenüber der Oper. (alle Fotos: © 2009 by Peter Päffgen)
Respekt … das kommt vom lateinischen Wort re-spicere = „zurückschauen", „Rücksicht nehmen" oder auch „noch einmal schauen". Unter dem Motto „Respect" stand das diesjährige „Guitar Art Festival" in Belgrad. „Respect." ... oder doch „Respect!"?
Serbien leidet seit den Kriegen in und um Jugoslawien unter erheblichen Image-Problemen im Verhältnis zu den europäischen Nachbarn und gegenüber der weltweiten Staatengemeinschaft. Bill Clinton, der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, und die NATO waren es, die das Land zu den „Schurkenstaaten" zählten und schließlich auch militärisch gegen es vorgingen. Sie erinnern sich? Serbien war größter Teilstaat Jugoslawiens und nach dem Zerfall der Sozialistischen Republik Jugoslawien auch alleiniger Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien. Nach dem Tod von Josip Broz Tito (1892-1980), dem Schöpfer und diktatorischen Verwalter des Staatenverbunds Jugoslawien, waren unter den Teilstaaten vermehrt separatistische Tendenzen zu bemerken, die fordernder wurden, als die Mauer fiel und als abzusehen war, dass die sozialistische Ära in Osteuropa zu einem Ende kam.
Aus dem Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit wurde ein Krieg, unter dem die Zivilbevölkerung enorm zu leiden hatte ... jetzt, aus der Entfernung von mehr als zehn Jahren, sind uns Ereignisse und Bilder wie das „Massaker von Sebrenica" in Erinnerung oder die Zerstörung der symbolträchtigen „Alten Brücke" von Mostar. Und an Personen erinnert man sich. An Radovan Karadžić zum Beispiel, den ehemaligen Präsidenten der „Republika Srpska" in Bosnien und Herzegowina, der im Juli 2008 verhaftet wurde, nachdem er unbehelligt zwölf Jahre in Belgrad gelebt hatte. Seit Juli 1996 war er per Internationalem Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen, Völkermord und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gesucht worden - heute steht er vor dem „Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien" in Den Haag. Und an General Ratko Mladić (*1945) erinnert man sich, der ebenfalls wegen Kriegsverbrechen angeklagt ist, und zwar nicht nur gegenüber Landsleuten, sondern auch UN-Schutztruppen in Zebrenica. Ihn konnte man bisher nicht festnehmen, weil er sich wie Karadžić in Belgrad versteckt hält - das jedenfalls wird vermutet und man hat gute Gründe für diese Annahme.
Weiterlesen: Respect! Internationales Gitarrenfestival in Beograd
Manuel Negwer über Heitor Villa-Lobos
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Diese Rezension erschien auch in Gitarre & Laute ONLINE XXX/2008/Nº 3-4.
Dafür, dass Heitor Villa-Lobos als „bedeutendster und weltweit erfolgreichster Komponist Südamerikas“ gilt, gibt es beschämend wenig deutschsprachige Literatur über ihn … gemeint ist nicht die Spezialliteratur, mit der sich Gitarristen befassen und wo es um offene Fragen spieltechnischer oder aufführungspraktischer Art geht, nein, gemeint ist allgemeine Literatur zu Heitor Villa-Lobos und seinem Œuvre. Im Klappentext des immer noch als Standardliteratur geltenden Buches von Lisa M. Peppercorn („Heitor Villa-Lobos: Ein Komponist aus Brasilen“, Zürich u.a. 1972) heißt es schon: „Dieses Buch füllt eine Lücke unter den Musikerbiographien aus, denn es gibt bis heute kaum Literatur über den größten Komponisten Brasiliens – in deutscher Sprache überhaupt nichts.“ Über dreißig Jahre sind vergangen seit Peppercorn und nichts hat sich geändert, was die Literaturdichte zum Thema Villa-Lobos angeht … bis jetzt, im Herbst 2008, dieses bemerkenswerte Buch erschien:
Manuel Negwer: Villa-Lobos — Der Aufbruch der brasilianischen Musik
Mainz u.a. 2008 [ED 20316, ISBN: 978-3-4957-0168-0] € 22,95
Der Autor, das als Entwarnung vorweg, hat zwar unter anderem Gitarre studiert (bei Siegfried Behrend), bei seinem Buch handelt sich aber um keines, in dem die Lebensgeschichte von Heitor Villa-Lobos vornehmlich oder gar ausschließlich aus der Perspektive eines Gitarren-Apologeten betrachtet wird. Sie kommt vor, die Gitarre, aber nur in dem Maße, wie sie im Leben und Schaffen von Heitor Villa-Lobos vorgekommen ist. Manuel Negwers Buch ist eine Biographie mit, sagen wir, deskriptiv-analytischen Werkbeschreibungen. Und es ist ein Buch, das den Komponisten vor dem politischen und kulturellen Hintergrund seiner Zeit darstellt … und da gibt es viel zu erzählen. Am 5. März 1887, das scheint jetzt unwiderlegbar festzustehen, ist er in Rio de Janeiro geboren. Schon der gerade im Nebensatz angedeutete und gleichzeitig ausgeräumte Zweifel, was das Geburtsdatum des Komponisten angeht, lässt ahnen, welche Widrigkeiten Negwer bei seiner Arbeit zu überwinden hatte: unzählige Legenden, an denen der Maestro oft nicht unschuldig war, dazu die schon erwähnte Ignoranz seitens der internationalen Fachpresse und Wissenschaft und das daraus resultierende Nicht-Vorhandensein verlässlicher Vorarbeiten. Noch einmal: Am 5. März 1887 ist er in Rio de Janeiro geboren. Ein, zwei Jahre später wurde in Brasilien die Monarchie gestürzt, die Republik ausgerufen und im gleichen Atemzug die Sklaverei abgeschafft. Mit diesem Paukenschlag begann das Leben des Heitor Villa-Lobos. Und der Paukenschlag tönte nach: Eine dreiviertel Million Sklaven war frei und begann, in den Großstädten Unterkünfte zu sichern. Die ersten „favaleas“ entstanden und musikalisch etablierten sich sehr langsam afrobrasilianische Elemente. 1891 wurde eine neue Verfassung verabschiedet – Brasilien wurde eine föderative Republik, wie wir sie aus Deutschland kennen. Gleichzeitig türmten sich wirtschaftliche Probleme auf: Kaffeekrise, Zuckerkrise und das Ende des Kautschukbooms, der Brasilien Wohlstand versprochen und zeitweise auch geleistet hatte. Villa-Lobos interessierte sich schon als Kind für Musik – das hatte er von seinem Vater, der als Amateur Cello und Klarinette gespielt hat. Und zwar war es die populäre brasilianische Musik, die ihn anzog, der Choro hauptsächlich. In Choro-Gruppen, die in bürgerlichen Kreisen nicht angesehen waren, spielte er Gitarre … sie war das Instrument der Gaukler und Straßenmusiker, der „Chorâos“ eben.
Für die andere Musik, die „música erudita“, die gelehrte Musik, hatte er sein Cello – das erste hatte ihm sein Vater aus einer alten Bratsche gebaut. Aber hier war Villa-Lobos schon mit dem Konflikt konfrontiert, der ihn sein Leben lang begleiten sollte: Gehörte seine Leidenschaft der „música popular brasileira“ oder der klassischen Musik, die hauptsächlich europäisch beeinflusst war und wo war die Grenze zwischen den beiden Sphären? Villa-Lobos begann, in Brasilien zu reisen und lernte Volksmelodien kennen, die er sammelte und in seinen eigenen Kompositionen verarbeitete … so jedenfalls stellte er es gern dar. Heitor Villa-Lobos hatte neben seinen musikalischen eine andere Fertigkeit und Leidenschaft, nämlich die, sich zu inszenieren. Die meisten Melodien stammten aus Publikationen ethnologischer Forschungen, die damals betrieben wurden – andere hat Villa-Lobos schlicht und einfach erfunden.
Blühende Fantaisie
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
[Der folgende Beitrag ist in Gitarre & Laute ONLINE XXX/2008/Nº 2, S. 4-6 zu finden. Die dort veröffentlichte Version des Textes ist die verbindliche und zitierbare und unterscheidet sich unter Umständen in Details von dieser Version.]
Schade, dass Beethoven oder Mozart nicht für Gitarre komponiert haben, hört man immer wieder, dann wäre das Instrument heute überall anerkannt. Danach werden dann die großen Komponisten aufgezählt und zitiert, die für Gitarre geschrieben oder sich mindestens löblich über das Instrument ausgelassen haben. Legenden werden aufgezählt, die von Gitarrenliebhabern in die Welt gesetzt worden sind und seitdem unausrottbar durch die Literatur geistern, etliche davon sind von Andrés Segovia und stehen in allen Büchern vom Maestro und über ihn. Aber zum Glück gibt es ja „Gitarren-Publizisten" und „Gitarrologen", die mit den Halbwahrheiten aufräumen. „Gitarrologen"? Termini wie dieser sind immer gern von denen in die Welt gesetzt worden, die sich „ernsthaft" und „wissenschaftlich" mit der Gitarre und ihrer Musik befasst haben. Das Fach hieß dann „Gitarristik" und man verbrämte Halbwissen mit wissenschaftlichem Gehabe und aufgesetzter Diktion. Oder man setzte wüste Andeutungen in die Welt, spielte die Rolle des allwissenden Weltverbesserers ... ohne Argumente aber mit viel ausladender Geste. Kurz: Die Gitarre wird von der etablierten Musikwissenschaft (immer schon) stiefmütterlich behandelt ... mit dem Erfolg, dass sich Dilettanten (von lat. delectare: erfreuen, ergötzen) zu Fachleuten erklären und ungestraft Dinge behaupten oder in Frage stellen.
Alexander Sergei Ramírez in Köln
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Achtzig Jahre ist er geworden, der Künstler Antonio Máro und weder ihm noch seinen Bildern, Skulpturen und Zeichnungen sieht man das an. Chapeau! Nun werden anlässlich des Geburtstages hie und dort Máro-Ausstellungen veranstaltet. Im belgischen Eupen zum Beispiel, der Wahlheimat des Peruaners, und in Köln. Dort hält die Galerie Reitz in der kunstnahen St. Apern-Straße (www.galerie-reitz.com) noch bis Mitte Januar 2009 eine Auswahl an Werken des vielfach ausgezeichneten lateinamerikanischen Malers bereit, expressive, mittelformatige Sinfonien in Farben. Sehr flächig und ostentativ, fremd und doch in ihrer Einfachheit und Direktheit vertraut. Besuche an beiden Orten, in Eupen, ein paar Kilometer von Aachen entfernt, und in Köln, sind auf jeden Fall zu empfehlen … obwohl "multimediale Vergnügungen", welche die Künstler der Familie Antonio Máros auch bieten, für die nächste Zukunft erst einmal nicht auf dem Programm stehen.
Antonio Máro hat zwei Söhne, der eine heißt Rafael Ramírez, der andere Alexander Sergei Ramírez … und hier ist die Erklärung dafür, dass dieser Bericht in einem Blog namens "GL-Blog" erscheint. Rafael ist bildender Künstler wie sein Vater und arbeitet auch mit ihm zusammen und Alexander ist Gitarrist – zusammen mit Joaquín Clerch Professor an der Düsseldorfer Hochschule und somit Nachfolger von Maritta Kersting. Am 4. Dezember spielte Alexander ein Soloprogramm in den Räumlichkeiten der Galerie Reitz, inmitten der Bilder seines Vaters und auch ihm zu Ehren.Alexander Ramírez spielte vor einem Publikum, das anders besetzt war, als das sonst bei Gitarren-Recitals üblich ist. Hier saßen keine Kollegen vor dem Musiker, hier waren es Kunstfreunde. Alle handverlesen und eingeladen durch die Galeristen. Das heißt, hier konnten auch Schlachtrösser wie Carlo Domeniconis "Koyunbaba" präsentiert werden, ohne damit erfahrenen Gitarren-Hörern auf die Nerven zu gehen. Ramírez erreichte im Gegenteil mit "Koyunbaba" das Gewollte: Begeisterung und bewundernde Blicke ob seiner Virtuosität.
Leo Witoszynskyj in memoriam
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Wenn man über Jahre in der Gitarrenwelt zuhause ist, lernt man viele Menschen kennen: Musiker und solche, die es werden wollen; Komponisten; Redakteure; gescheite und weniger kluge Menschen; kultivierte und tumbe Weltenbürger; Leute, zu denen es einen hinzieht und solche, um die man einen großen Bogen macht. Und wenn man professionell die Gitarrenwelt bereist, hat man nicht einmal die Wahl, den einen oder anderen zu mögen oder nicht zu mögen ... schließlich sitzt man im selben Boot!
Aber man hat Meinungen und Präferenzen, auch wenn man die nicht gleich jedem zu erkennen gibt. Es gibt Musiker, die man immer schon bewundert hat und noch immer bewundert, weil sie einen mit dem einen oder anderen Konzert berührt haben, oder mit einer Platte, die man irgendwann gehört und die einen fasziniert hat. Es gibt Menschen, die einem aufgrund ihres abgeklärten Urteils imponieren und die man deshalb immer wieder gern sieht. Hier ist es eine eher sachliche, intellektuelle Ebene, auf der man sich trifft. Es gibt Kollegen, die mit einem universalen Wissen aufwarten, das fächerübergreifend wirkt und Phänomene miteinander in Verbindung bringt, die man vielleicht nie im Zusammenhang gesehen hätte ... und freilich gibt es Menschen, deren Gesellschaft man sucht, weil sie amüsant erzählen können; die viel erlebt haben und ihre Erfahrungen gern weitergeben ohne damit Indiskretionen zu begehen.
Vor zwei Tagen erreichte mich die Anzeige, dass ein Freund viel zu früh verstorben ist, dem ich mehr als gern auf meinen Gitarren- und auch sonstigen Reisen begegnet bin: O. Univ.-Prof. Dr. Leo Witzoszynskyj starb am 1. Oktober 2008 in Graz.
25 Jahre Concerto!
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Florilegium
Foto: Peter Päffgen, Johannes Jansen, Bernd Heyder, Manfred Johannes Böhlen am 14. September 2008 anlässlich einer Buchpräsentation und des Geburtstages von CONCERTO im Kölner Deutschlandfunk (Foto © Heinz-Dieter Falkenstein)
Sich mit alter Musik so zu befassen, dass man sie „Alte Musik“ nannte, war in den 1970er und den frühen 1980er Jahren immer noch etwas Besonderes. Auf den Plattenhüllen derer, die das machten, wurde unübersehbar darauf hingewiesen – wenn nicht gleich ganze Labels ausschließlich der Pflege der „historischen Aufführungspraxis“ vorbehalten blieben oder just dafür entstanden waren. Die Archiv Produktion der Deutschen Grammophon zum Beispiel war 1949 gegründet worden, unter anderem um dem endgültigen Verlust historischer Orgeln und anderer Musikinstrumente mindestens durch Klangdokumentationen entgegenzuwirken, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen hergestellt und auf Schallplatten veröffentlicht werden sollten und wurden. Das Programm der Archiv Produktion war in „Forschungsbereiche“ unterteilt, I: Gregorianik bis XII: Mannheim und Wien (1760—1800). Bei der Gestaltung der Schallplatten wurde auf jegliche Bebilderung verzichtet, bei der künstlerischen wie technischen Ausstattung an nichts gespart.
Zur gleichen Zeit, Ende der vierziger Jahre, trafen sich an der Wiener Hochschule für Musik und Darstellende Kunst der niederländische Cembalist Gustav Leonhardt und Nikolaus Harnoncourt, damals im Brotberuf Cellist bei den Wiener Symphonikern unter Herbert von Karajan. Der eine gründete wenig später das Leonhardt-Consort, sein Kommilitone den Concentus Musicus. Zusammen planten und realisierten sie Aufnahmen von Bach-Kantaten … und sie interessierten Schallplatten-Produzenten für ihre Projekte. „Schon vor Jahren, als ich mit Harnoncourt zusammentraf, sagten wir uns: Das alles darf nicht stehenbleiben bei den Dingen am Rande, wir müssen die Matthäuspassion und die Johannespassion einbeziehen und auf diesem Wege Veränderungen bewirken, wir müssen sogar zur Klassik vorstoßen“ meinte Gustav Leonhardt 1984. Wenn Musik als „Alte Musik“ bezeichnet wird, war und ist das nur am Rand eine Altersangabe – es ist mehr eine Aussage über die Herangehensweise an die Interpretation dieser Musik. Grundsätzlich muss ein Interpret entscheiden: Übertrage ich die Musik vergangener Zeiten in meine Zeit, spiele ich sie also so, wie heute musiziert wird, oder versuche ich, Musik so aufzuführen, wie sie vermutlich zu ihrer Entstehungszeit aufgeführt worden ist? Nikolaus Harnoncourt meint dazu [Musik als Klangrede 1982]: „Diese Einstellung zur historischen Musik – sie nicht in die Gegenwart hereinzuholen, sondern sich selbst in die Vergangenheit zurückzuversetzen – ist Symptom des Verlustes einer wirklich lebendigen Gegenwartsmusik […] Die Musik Bruckners, Brahms’, Tschaikowskys, Richard Strauss’ und anderer war noch lebendigster Ausdruck ihrer Zeit. Dort aber ist das ganze Musikleben stehengeblieben: diese Musik ist noch heute die am meisten und liebsten gehörte, und [jetzt kommt die Folgerung] die Ausbildung der Musiker an den Akademien folgt noch immer den Prinzipien dieser Zeit. Es scheint fast, als wolle man nicht wahrhaben, dass seither viele Jahrzehnte vergangen sind.“ Entscheidet sich ein Interpret also dafür, ältere Musik in seine Zeit zu übertragen und sie mit den zu seiner Zeit zur Verfügung stehenden Stilmitteln zu realisieren, wählt er nicht wirklich die „moderne“ Variante, sondern auch eine historische, aber eine falsche … es sei denn, er befasst sich mit spätromantischer Musik.
Der Schlaf der Vernunft: Goyas Capricho 43 in Bildkunst, Literatur und Musik
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Helmut C. Jacobs, Der Schlaf der Vernunft. Goyas Capricho 43 in Bildkunst, Literatur und Musik, Basel 2006, Schwabe Verlag, € 84,--, ISBN 3-7965-2261-0
Dass Bücher von Helmut C. Jacobs hier in zwei aufeinander folgenden Ausgaben von Gitarre & Laute-ONLINE besprochen werden, geschieht aus unterschiedlichen Gründen. Das Erste, in Ausgabe XXX/2008/Nº 3-4, war entstanden wegen des Autors heimlicher Leidenschaft für das Akkordeon. Giulio Regondi, von ihm handelt das Buch, (1822/1823-1872) hatte, als es mit der Gitarre immer schlechter bestellt war, mit fliegenden Fahnen das Lager zur Concertina gewechselt. Auch da war er sehr erfolgreich, auch da feierte er Triumphe! So, über Regondis Wechsel zur Concertina, war Helmut C. Jacobs' Buch für eine Zeitschrift namens Gitarre & Laute-ONLINE interessant geworden. Jacobs, das nebenbei bemerkt, lehrt hauptberuflich als Professor für Romanische Philologie an der Universität Duisburg/Essen. Das heute behandelte und zu würdigende Buch hat zur Musik und da speziell zur Musik für Gitarre oder für Laute eine weniger direkte Beziehung als das über Regondi. Obwohl ... hier in Gitarre & Laute ist schon eine mehrteilige Artikelfolge über Mario Castelnuovo-Tedescos Komposition über die Caprichos de Goya erschienen. Das war zwischen 1991 und 1994 und die Beiträge stammten von Lily Afshar. Den über das Blatt „43" finden Sie in der aktuellen Ausgabe von Gitarre & Laute-ONLINE zu Ihrer Erinnerung, ebenso bisher unveröffentlichte Anmerkungen zu den verfügbaren CD-Einspielungen der „Caprichos". Im vorliegenden Buch befasst sich Helmut C. Jacobs mit den Caprichos von Francisco José Goya y
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Georg Stössel und seine Laute
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- Geschrieben von Stefan Lieser
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Ein Volksmusikinstrument für Jedermann, nach 40 Jahren Vergessenheit ans Licht geholt
Vor ungefähr dreieinhalb Monaten ging es mir wahrscheinlich genau wie Ihnen: Stössel? Nie gehört.
Die beruflich Neugier war geweckt. (Bezüglich des Instruments meines Bekannten fand ich heraus, dass Stössel nicht der Erbauer war, aber das ist eine andere Geschichte). Was war das für ein Mann, dieser Stössel, von dem niemand etwas wusste, der aber doch einmal einen großen Bekanntheitsgrad gehabt haben musste, wenn alle Kölner Volksschüler auf seinen Instrumenten spielten? Was war das Besondere an seinen „Lauten“? Gab es vielleicht noch Zeitzeugen die etwas über Stössel wussten? Warum sprach heute kein keiner mehr davon, und warum war er damals aktuell? Auf der Suche nach Stössel ging ich diversen Fährten nach, führte Interviews, telefonierte durch die ganze Republik, und hatte eine gehörige Portion Glück dabei, denn die Spuren Stössels sind heute tatsächlich fast völlig verwischt.
Foto: Eine Mädchengruppe mit Stössel-Lauten bei einer Fronleichnamsprozession in Köln. Was haben der Oberstudienrat Max Erben aus Köln-Rodenkirchen, Margarete Will aus Köln-Kalk, der ehemalige Musiklehrer Hermann Engeländer in Bergisch-Gladbach, der Instrumentenbauer Wilhelm Monke und Susanne Klas aus Brühl gemeinsam? – Neben ihrem meist fortgeschrittenen Alter die Kenntnis eines Teils der Kölner Musikgeschichte, der heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Die Geschichte der Stössel-Laute und ihres Erbauers Georg Stössel.