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Aus für Minkoff!
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Seit dem Oktober 2009 befindet sich der Genfer Verlag Editions Minkoff in Insolvenz, seitdem sind die wichtigen Ausgaben, die der Verlag herausgebracht hat, nicht mehr erhältlich. Mit großem Bedauern hören wir jetzt, dass Sylvie Minkoff, die Gründerin und Besitzerin des Verlags am 9. Dezember 2010 in Genf infolge eines Herzinfarkts verstorben ist.
In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gründete Sylvie (*1932) zusammen mit ihrem Ehemann, dem Drucker Jouval Minkoff, den Reprint-Verlag, der der steigenden Nachfrage nach originalen Aufführungsmaterialien Alter Musik gerecht wurde. Die aufblühende Alte-Musik-Bewegung lenkte die Aufmerksamkeit vieler Musiker auf Repertoire, das bis zu diesem Zeitpunkt nicht in modernen Ausgaben vorlag. Außerdem wurden zunehmend historische Notationsformen direkt für Aufführungen verwendet. So bevorzugten Musiker Tabulaturen für Laute, Cister und Gitarre, wo früher Übertragungen gespielt worden waren. Der Verlag Editions-Minkoff wurde schnell größer. Mit Minkoff-France wurde eine Dépendance in Paris gegründet, wo unter anderem eine groß angelegte kritische Gesamtausgabe der Werke von Marc-Antoine Charpentier (1643—1704) in 28 Bänden herauskam.
Der Verlag ist seit Ende 2010 telefonisch nicht mehr erreichbar, Ausgaben können nicht mehr bestellt werden, es sei denn bei Händlern, die noch Lagerbestände vorhalten. Was mit den Vorräten des Verlags selbst geschehen ist und geschieht und mit den Verlagsrechten und Druckvorlagen, ist nicht bekannt.
Sir Simon goes Aranjuez
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Europa Konzert from Madrid 2011: Cañizares
Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle
Programm: Chabrier: España; Rodrigo: Concierto de Aranjuez; Rachmaninov: Symphony Nº 2 E minor
Aufgenommen am 1. Mai 2011 im Teatro Real in Madrid
DVD EuroArts 2058398, im Vertrieb von Naxos
… Wer sie nicht kauft, kann als Entschuldigung höchstens vorbringen, dass er keinen DVD-Player besitzt
…
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Die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle und das „Concierto de Aranjuez“? In den sechziger Jahren hat ausgerechnet Siegfried Behrend das Konzert einmal mit diesem Orchester eingespielt – nicht unter Herbert von Karajan, der von 1954 bis 1989 Chefdirigent war, sondern unter Reinhard Peters (Deutsche Grammophon 2535 170). Dann war Schluss!. Das meistgespielte Solokonzert wurde nicht wieder aufs Programm gesetzt … bis jetzt eines der traditionellen Europa-Konzerte der Berliner in Madrid stattfinden sollte und man, als Gastgeschenk sozusagen, das Konzert aufführen wollte. Als Solist wurde Juan Manuel Cañizares verpflichtet, ein Flamencogitarrist, der, anders als die meisten seiner Kollegen, Musik nicht durch „learning by doing“ gelernt hat. Er, Cañizares, hat sie studiert … er kann also Noten lesen! Paco de Lucia hat vor vielen Jahren auch einmal das „Concierto de Aranjuez“ gespielt und er ist musikalischer Analphabet. Mit Paco musste ein „Klassiker“ als Korrepetitor das Stück einstudieren, bis er es auswendig spielen konnte.
Müller, Möller und andere. Neue CDs
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Roland Mueller: Guitar Favourites
Werke von Domeniconi, Brouwer, Yuquijiro Yocoh, Granados, Sor, Patiño, Gómez Crespo, Dyens
Aufgenommen 2010, erschienen 2011
OEHMS CLASSICS OC 791, deutscher Vertrieb: Harmonia Mundi, Eppelheim
… Roland Mueller rückt sie ins rechte Licht …
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Der Booklet-Text beginnt mit einer Erklärung: „Eine CD einzuspielen mit „Favourites“ […] ist wohl immer etwas Fragwürdiges.“ Stimmt, zumal es keine Debüt-CD ist, die Roland Mueller hier vorlegt. Vor fünfzehn Jahren hat er bei Quantophon Bach, Schumann und Barrios aufgenommen (s. Gitarre & Laute XXI/1999/Nº 1, S. 27), vorher mehrere LPs und CDs bei Soundstar. Eine Debüt-CD war nicht dabei, die liefert er jetzt nach. Und dabei greift er ins Volle: Koyunbaba, Mozart-Variationen, Tango en skaï … alles, was das Herz begehrt.
Aber weder gegen Sor noch gegen Domeniconi ist etwas einzuwenden! Nur dagegen, dass Kompositionen, wenn sie sich bei Musikern und Publikum durchsetzen, zu „Pflichtwerken“ in Konzerten und Plattenprogrammen werden. Buchstäblich jeder setzt dann auf die Popularität dieser Stücke.
Roland Mueller hat Trendstücke dieser Art zu einem Programm zusammengefasst, beginnend mit „Koyunbaba“, das nach 1985 eine Karriere gemacht hat, wie man sie sehr selten erlebt. Wer als Erster mit diesem Stück durch die Konzertsäle gezogen ist, weiß ich nicht, Fakt ist jedenfalls, dass es in kürzester Zeit überall bekannt und gespielt wurde. „Koyunbaba“ entführt sein Publikum in eine eigene Klangwelt – das wird einer der Gründe für den Erfolg des Stücks sein. Und Roland Mueller ist bemüht, gerade den klanglichen Qualitäten der Musik, die er präsentiert, nachzuspüren. Das gelingt ihm in „Koyunbaba“ sehr gut; weniger überzeugt mich Leo Brouwers Stück „Un dia de Noviembre“, das Roland Mueller stark verzögert … so, dass mir die hinreißend schöne Melodie nicht wirklich gesungen vorkommt. Ein Höhepunkt des Programms sind die „Danzas Españolas“ 5, 4, 10 und 11 von Enrique Granados … aber sie hat der Interpret vermutlich so oft in Konzerten gespielt, dass sie tief im Fundus prozeduralen Wissens abgespeichert sind und jederzeit aktiviert werden können. Wie Fahrradfahren.
Stenstadvold: An Annotated Bibliography of Guitar Methods, 1760—1860
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Erik Stenstadvold, Guitar Methods, 1760—1860, Hillsdale/NY und London 2010, Pendragon Press, ISBN-13 978-1-57647-185-2, US-$ 65,—, Vertrieb in Europa: Eurospan Group
Dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Gitarrenschulen erschienen sind, wissen wir, außerdem sind zu diesem Thema bereits Untersuchungen erschienen. Eine umfassende bibliographische Studie, wie sie jetzt von Erik Stenstadvold vorgelegt worden ist, fehlte aber bisher.
Stenstadvold behandelt Gitarrenschulen, die zwischen 1760 und 1860 erschienen sind und provoziert mit dieser zeitlichen Eingrenzung naturgemäß die ersten Fragen: 1. Warum 1760 und 2.: Warum 1860? Die Frage nach dem terminus post quem ist dabei relativ leicht zu beantworten. In der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hat sich, was die Geschichte der Gitarrenmusik angeht, etwas Wesentliches ereignet. Komponisten, Interpreten und Lehrer begannen nämlich, sie nicht mehr in Tabulatur aufzuschreiben, sondern in Notenschrift, wobei sich sehr bald die Schreibweise auf einem System mit tiefoktaviertem Violinschlüssel durchsetzte, wie wir sie heute noch benutzen.
Weiterlesen: Stenstadvold: An Annotated Bibliography of Guitar Methods, 1760—1860
St. Ursula and the Eleven Thousand Virgins of Cologne
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Scott B. Montgomery, St. Ursula and the Eleven Thousand Virgins of Cologne: Relics, Reliquaries and the Visual Culture of Group Sanctity in Late Medieval Europe. Frankfurt am Main u.a., 2010, Peter Lang Vlg., ISBN 978-3-03911-852-6, € 41,60
Im vierten Jahrhundert soll es sich zugetragen haben, dass in Britannien die Tochter des Königs ihr Leben Christus geweiht hatte, dass aber der heidnische König von Anglia sie seinem Sohn Ætherus zur Frau geben wollte. Sie ging zum Schein auf das Werben ein, stellte aber die Bedingung, dass sich ihr Bräutigam taufen ließ und dass ihr drei Jahre Zeit bis zur Hochzeit blieben. Sie begab sich mit elf Freundinnen auf eine Schiffsreise, die sie nach Rom bringen sollte. Den Rhein entlang, vorbei an Köln, fuhren sie bis nach Basel, um dann den Weg zu Fuß weiter zu gehen. Auf dem Rückweg kamen sie wieder an Köln vorbei, wo die Hunnen unter ihrem Anführer Attila das Regime führten. Die Hunnen ermordeten alle meuchlings bis auf die Königstochter. Als die sich aber Attila verwehrte, ermordete er auch sie. So lautet die älteste Version der Ursula-Legende, die später auf vielfältige Weise ausgeschmückt werden sollte.
Der Edelmann Clematius baute im vierten oder fünften Jahrhundert auf eigenem Grund in Köln eine Kirche und hinterließ eine Steinplatte mit lateinischer Inschrift. Dort heißt es, er, Clematius, habe an der Stelle des Meuchelmords an den Jungfrauen, die ihr Blut für Christus geopfert hätten, die Basilika errichtet. Vier- bis fünfhundert Jahre später finden wir Zeugnisse des Jungfrauenkults im Rheinland, gleichzeitig wird auch der Name Ursula erstmalig erwähnt.
Die Anzahl der angenommenen Begleiterinnen wurde nicht viel später von elf auf elftausend erhöht … und damit begann eine wundersame Ausweitung des Ursulakults. Aus der lateinischen Inschrift „XIM“, für „undecim martyrum“ („elf Märtyrer“) war „undecim millium“ („elftausend“) gelesen worden, indem das „M“ als das lateinische Zeichen für „tausend“ interpretiert wurde. Als dann im Jahr 1106 bei Arbeiten an der Kölner Stadtmauer ein riesiges Gräberfeld gefunden wurde und die Zahl der Gebeine mit den elftausend Jungfrauen nach Augenmaß übereinstimmte, wurde die Ursula-Verehrung immer weiterreichend. Dass die Römer an der nach Norden führenden Ausfallstraße ihrer Stadt COLONIA CLAUDIA ARA AGRIPPINENSIUM, ihre Toten begraben hatten, und dass diese Straße, der heutige Eigelstein, in unmittelbarer Nachbarschaft der Basilika des Clematius lag, wurde dabei nicht näher untersucht. Zur gleichen Zeit wurde begonnen, an gleicher Stelle eine neue Basilika zu errichten, die heutige Ursula-Kirche, die im Verlauf ihrer Geschichte mehrere bauliche Umgestaltungen erlebte, die aber als eine der romanischen Kirchen Kölns zu den Wahrzeichen der Stadt gehört.
Weiterlesen: St. Ursula and the Eleven Thousand Virgins of Cologne
Fundsachen zum Thema Georges Bizet
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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[CD] Georges Bizet, Le Docteur Miracle, Opera in one Act, Libretto: Léon Battu and Ludovic Halévy, Christiane Eda-Pierre, Robert Massard, Rémy Corazza; Orchestra of Radio France, Ltg. Bruno Amaducci Aufgenommen als Rundfunk-Aufführung am 1. März 1976; Neuausgabe Allegro Corporation [Allegro Corporation] 2010, OPD 7077 in der Reihe Gran Tier; Vertrieb bei Sunny Moon, Köln [Sunny Moon]
[Buch] Christoph Schwandt, Georges Bizet: Eine Biografie, Mainz u.a. 2011, SCHOTT MUSIC, ISBN 978-3-254-08418-7, € 12,99
[DVD] Johannes Brahms, Symphonie Nº 2, Georges Bizet, Symphonie Nº 1, The State Radio and Television Symphony Orchestra, Moscow, Pavel Sorokin und Amar Lapinsch. Aufgenommen im Juni 2001 im großen Saal des Moskauer Konservatoriums, 5-Tone Platinum Edition 97002, im Vertrieb von Cascade [Cascade]
[CD] Fast immer, wenn man den Namen Georges Bizet (1838—1875) hört, geschieht das im Zusammenhang mit seiner Oper „Carmen“. Sie war sein großer Erfolg und ist heute noch eine der am häufigsten aufgeführten Opern überhaupt, zusammen mit Werken von Mozart und Verdi … aber leider ist Bizet nie in den Genuss seines Welterfolgs gekommen. „Carmen“ ist am 3. März 1875, gerade einmal drei Monate vor seinem Tod, in Paris uraufgeführt worden. Georges Bizet war nicht einmal 37 Jahre alt.
Noch im gleichen Jahr, genau am 2. Oktober 1875, wurde „Carmen“ auch an der Wiener Hofoper gegeben, 1876 in Brüssel und Budapest und 1878 in St. Petersburg, Stockholm, London, New York und Philadelphia. Ähnlich turbulent sollte es mit der Karriere der Oper weitergehen. Georges Bizet konnte nicht einmal mehr die notwendigen Änderungen an seiner Oper vornehmen oder überwachen. Schon für die erste Wiener Aufführung mussten die in Paris noch gesprochenen Dialoge durch Rezitative ersetzt werden, die schließlich Bizets Studienkollege und Freund Ernest Guiraud (1837—1892) komponierte.
The Gramophone Classical Music Guide 2011
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- Geschrieben von Markus Grohen
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The Gramophone Classical Music Guide 2011
3000+ Reviews by the World’s Leading Critics
Teddington 2010, im Vertrieb von Music Sales, Preis: GB-£ 35,00
1434 Seiten mit über dreitausend Besprechungen von CDs mit klassischer Musik: „The Most Authoritative Guide to the Best Classical Recordings“ steht bescheiden auf dem Titel. Es handelt sich um das Jahrbuch der Zeitschrift „Gramophone”, die immerhin schon 1923 gegründet worden ist … und zu dieser Zeit gehörten Schallplatten noch nicht zu den Allerweltserzeugnissen, die jedermann nutzte.
James Jolly, der Chefredakteur der heute erscheinenden „Gramophone“, deren Redakteure immerhin für die „Gramophone-Awards“ zuständig sind, die weltweit beachtet werden, schildert, in seinem Vorwort sein Vorgehen. Er sucht Besprechungen nicht danach aus, dass von jedem erscheinenden Werk jede Rezension auch abgedruckt wird. Im Gegenteil hat er sich von seinen Kritikern beraten lassen, welche Neueinspielung denn die beste gewesen ist – im Notfall greift er auch auf historische Einspielungen zurück.
Also: Dieses Jahrbuch ist keine Sammelausgabe aller Besprechungen, die im vergangenen Jahr in der Zeitschrift „Gramophone“ erschienen sind. Und es sind auch nicht alle Aspekte des Musiklebens gleichberechtigt nebeneinander wiedergegeben. Aber, und das ist eine sensationelle Serviceleistung von Gramophone, die Besprechungen aller bisheriger Ausgaben der Zeitschriften sind im Online-Archiv einzusehen http://www.gramophone.co.uk – alle Rezensionen, die jemals (also nach 1923) in dieser Zeitschrift erschienen sind, können dort gelesen werden … und zwar kostenlos!
Recuerdos de la Alhambra zu verkaufen!
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- Geschrieben von Redaktion
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Ein Autograph des Stücks "Recuerdos de la Alhambra" steht in Madrid zum Verkauf … darauf wies Luis Briso de Montiano vor ein paar Tagen in einer auf Gitarrendinge spezialisierten Mailing List hin [Guitar-Summit].
Hier ist der Link zu dem Antiquariat bzw. Auktionshaus in Madrid: http://www.suitesubastas.com/z017_9julio2011_s25/pl219.html
Der Preis des fünf Seiten unfassenden Manuskripts ist € 80.000,—.
Es hat unmittelbar nach der Ankündigung der Auktion eine Diskussion über das Manuskript gegeben und darüber, wie es hier überschrieben ist. Anders, als bei dem vor etlichen Jahren angebotenen Sor-Manuskript sind bisher allerdings keine Zweifel an der Authentizität des Tárrega-Autographs geäußert worden … aber Moser scheint dieses Manuskript gekannt zu haben, als er sein Tárrega-Buch zusammengestellt hat. Dort jedenfalls hat er den Titel zitiert, der auf dem jetzt angebotenen Manuskript über dem Notentext steht: Improvisacion ¡A Granada! Cantiga Arabe! Zweifel an der Authentizität der Handschrift scheinen jedoch nicht einmal ihm gekommen zu sein.
Im Guitar-Summit wird noch ein interessanter Artikel zu einer neuen Ausgabe von "Recuerdos de la Alhambra" von Stanley Yates erwähnt [Tárrega-Artikel]. Für weitere Informationen empfehlen wir dringend den Besuch der "Mailing List" "Guitar Summit"!
Le Tombeau de Debussy
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Le Tombeau de Debussy
Randall Love, Blüthner Piano (1907)
Werke von Dukas, Roussell, Schmitt, Strawinsky, Malipiero, Goosens, de Falla, Bartók, Satie, Ravel und Debussy
Aufgenommen im September 2000, erschienen 2010
CENTAUR [Centaur] CRC 3007, imj Vertrieb von Klassik-Center Kassel [Klassik-Center]
… fast durchgehend überzeugend …
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Fotos: oben Claude Debussy, Fotographie von Félix Nadar (1820—1910); "Revue Musicale" … dies ist nicht das Titelblatt der besonderen Ausgabe, um die es hier geht, sondern die eines regulären Heftes in typischer Gestaltung; das untere Foto zeigt Manuel de Falla, Wanda Landowska, eine unbekannte spanische Dame und Andrés Segovia um 1921 (Mit frdl. Erlaubnis von Schott-Music, Mainz). Das Bild ist gern als Indiz dafür verwendet worden, dass Segovia der Musiker war, für den Manuel de Falla seine "Homenaje" geschrieben und der sie sie auch uraufgeführt hat.
Am 25. März 1918 ist in Paris Claude Debussy (*1862) gestorben, der Komponist , dem oft die „Erfindung“ der impressionistischen Tonsprache zugeschrieben worden ist. Sein „Prélude à l'après-midi d'un faune“, uraufgeführt 1894, galt als Wendepunkt in der Geschichte des Komponierens, als Eingang in die musikalische Moderne.
Zwei Jahre nach dem Tod Debussys erschien in Paris das erste Heft einer Zeitschrift mit dem Titel „Revue Musicale“, deren Herausgeber Henry Prunières (1886—1942) war, ein Musiker und Musikwissenschaftler, der sich für die künstlerische Moderne einsetzte, und zwar nicht nur, was Musik angeht, sondern übergreifend auch in Malerei und Literatur. Am 1. Dezember 1920 kam eine Sondernummer dieser Zeitschrift heraus, die Debussy gewidmet war und für die Prunières zehn Komponisten um Beiträge gebeten hatte, zehn Komponisten aus verschiedenen Ländern – deutsche und österreichische Künstler waren nicht gefragt worden, die Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg waren noch zu frisch.
Unter den Kompositionen in der „Revue Musicale“ waren sehr direkte Bezugnahmen auf Claude Debussy, darunter „La plainte, au loin, du faune …“ von Paul Dukas (1865—1935), in dem aus dem „Prélude à l'après-midi d'un faune“ zitiert wird, und natürlich „Homenaje – Pour le Tombeau de Claude Debussy“ von Manuel de Falla“, in dem Debussys „La soirée dans Grenade“, der zweite Satz aus „Estampes“, zitiert wird, in dem der Komponist, wie E. Robert Schmitz in seinem Standardwerk über Debussys Klaviermusik geschrieben hat (New York 1950), bis ins kleinste Detail Spanisches vermittelt, ohne auch nur einen einzigen Takt spanischer Folklore zu zitieren: „There is not one bar of this music borrowed from the Spanish folkolore, and yet the entire composition in its most minute details, coneys admirably Spain“.
Graciano Tarragó
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Graciano Tarragó, Obras para Guitarra, hrsg. v. Jaume Torrent, Vol. 1, Barcelona 2009, Editorial de Música Boileau [Boileau], B.3415. Im Vertrieb von Music Sales, Madrid [Musicsales Madrid] UMG 50039, Preis GB-£ 16,95, in Deutschland ca. € 30,—
Dass. Vol. 2, 2009, B.3416/BMG 50050, Preis GB-£ 16,95, in Deutschland ca. € 30,—
Dass. Vol. 3, 2009, B.3417/UMG 50051, Preis GB-£ 16,95, in Deutschland ca. € 30,—
Wer war Graciano Tarragó? Er lebte 1892—1973 und war Gitarrist, Komponist, Geiger und Musiklehrer. Gitarre hat er bei Miguel Llobet studiert. Sein Berufsleben begann er als Orchestermusiker, bis er im Jahr 1933 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Gitarre am Conservatorio Superior de Música del Liceu in Barcelona erhielt und sich dort niederließ. Dort wurde er auch Autor einer viel beachteten und erfolgreichen Gitarrenschule unter dem Titel „Método Graduado“. Mit seiner Tochter Renata bildete er ein Duo, das international konzertierte, außerdem arbeitete er mit der Gruppe „Ars Musicae“ zusammen, die sich auf die Aufführung alter (meist spanischer) Musik spezialisiert hatte.
Graciano Tarragó komponierte eine beträchtliche Reihe an Stücken für Gitarre und erscheint als einer der in Spanien einflussreichsten Komponisten für dieses Genre. Sein Werkkatalog enthält ausschließlich originale Kompositionen für Gitarre. In ihnen paaren sich hohe Virtuosität mit einer harmonischen und kontrapunktischen Welt, die sich durch Innovationen auszeichnet und durch fein ausgewogene, sensibel aufeinander abgestimmte Balance. Auch hat er Stücke für zwei Gitarren geschrieben, für Gitarre und Blockflöte und für Gesang und Gitarre [bis hierhin ist vorliegender Texte die mehr oder weniger präzise Übersetzung eines Kapitels der neuen Ausgabe].
Das Ding mit Noten 2
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- Geschrieben von Markus Grohen
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Andreas Lutz/Bernhard Bitzel (Hrsg.), das DING mit Noten 2, Kultliederbuch, Manching 2010 (DUX), € 29,90
Was ist das Ding? Ein Buch in Spiralbindung, Querformat, rund 430 Seiten. Das Ding enthält über vierhundert Lieder, Songs, Chansons, Schlager und zwar in dieser Form: Links steht der Text mit einigen wichtigen Zusatzinformationen wie Name von Komponist und Texter, urheberrechtlichen Details wie Verlag und Erscheinungsjahr, dazu Tonart für die Introduktion und (über den Textzeilen) der harmonische Verlauf mit Akkordnamen. So weit war das Ding schon bekannt. Die gängigen, handlichen, leicht und überall zu benutzenden Textsammlungen mit Akkordsymbolen. Jetzt liegt das neue Ding vor: „Das Ding mit Noten“. Unterschied: Rechts neben dem bisher beschriebenen DIN A5-Inhalt ergänzt ein weiterer Inhalt des gleichen Formats das DIN A4-QUER-Buch: Noten der Gesangsmelodie, auch mit Akkordnamen und auch mit Text, hier aber nur die erste Strophe, die weiteren stehen ja auf der linken Seit.
Dies ist nicht die erste Sammlung dieser Art! Meist wird allerdings nur eine der Komponenten (Text und/oder Musik) abgedruckt, und das ist meistens der Text, weil die Melodie ohnehin jeder kennt.
Warum wird nur eine Komponente abgedruckt? Das ist einfach zu beantworten: Weil für beide (Text und Musik) Gebühren an die Inhaber der Urheberrechte bezahlt werden müssen. Das sind meistens die Verlage, manchmal aber auch die Urheber selbst. Die leben davon, dass sie dafür bezahlt werden, wenn man ihre geistigen Erzeugnisse benutzt, sprich: aufführt oder abdruckt. Diese Gebühren können sich sehr schnell zu beträchtlichen Beträgen anhäufen, vor allem dann, wenn wenig gemeinfreies Material verwendet wird – das sind Volkslieder oder ältere Stücke, deren Komponisten und Texter schon länger als siebzig Jahre tot sind, deren Erzeugnisse also nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind. Bei Sammlungen von Gitarrenstücken sind oft nur wenige „moderne“ Stücke enthalten und viel Material von Milan bis Sor, die alle kostenlos abgedruckt werden dürfen … sofern nicht ein Herausgeber oder Bearbeiter Rechte aus seiner Arbeit ableitet.
Legendary Classical Guitar Solos
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Jerry Willard (Hrsg.): Legendary Classical Guitar Solos, London u.a., Wise Publications (MusicSales) 2010, ca. € 50—55
Jerry Willard (Hrsg.): The Complete Works of Gaspar Sanz, transcribed and edited by Jerry Willard [jerry willard], 2 Bde in Schuber, 2 Audio-CDs beiliegend, New York u.a., Amsco Publications (MusicSales) 2006, GB-£ 19,95
Ders. (Hrsg.): Early Renaissance Pieces for Classical Guitar, compiled and edited by Jerry Willard: A superb collection of delightful music of the Renaissance, arranged in standard notation and tablature, Audio-CD aller Stücke enthalten. New York u.a., Amsco Publication (MusicSales) 2010, GB-£ 12,95
Referenzausgabe: Gaspar Sanz, Instrucción de musica sobre la Guitarra Española, hrsg. v. Rodrigo de Zayas, Madrid 1985. Reihe: Colección Opera Omnia
Jerry Willard ist ein erfahrener Lautenist, Gitarrist und Herausgeber von Musik für seine Instrumente. Verschiedene Anthologien aus seiner Feder sind weltweit im Umlauf – zwei davon stehen heute auf dem Prüfstand. Aber Jerry hat sich auch als Interpret einen Namen gemacht und als Herausgeber größerer wissenschaftlicher (?) Ausgaben. Ist es jetzt verdächtig, dass ein und derselbe Herausgeber eine "Gesamtausgabe" der Werke von Gaspar Sanz (1640—1710) herausgibt – und gleichzeitig eine Sammlung bekanntester Stücke für Laute und zwar in Notation … und in „moderner“ Tabulatur?
Die Sanz-Ausgabe enthält (englische) Übersetzungen einer Auswahl der Texte des Buches von 1674, daneben alle dort veröffentlichten Stücke in a. der originalen Tabulatur und b. einer Übertragung im Violinschlüssel-System … und zwar beide in synoptischer Darstellung. Die hat sich für Ausgaben dieser Art durchgesetzt, und zwar hauptsächlich für wissenschaftliche Editionen. Das direkte Nebeneinander von Tabulaturen und Übertragungen, die, so präzise und werkgetreu sie auch angefertigt worden sein mögen, immer Interpretationen der überlieferten Quellen darstellen, erlaubt den Vergleich, der besonders in strittigen Fragen hilfreich sein kann.
Segovia und Williams – Historische Aufnahmen
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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John Williams: The Beginning of a Legend, His first Recording, Werke von Bach, Scarlatti, Sor, Albéniz, Ponce, Duarte, Segovia, Tansman, Granados, Aufgenommen 1958, erschienen 2010,
IDIS [Dynamic] 6600, im Vertrieb von Klassik Center, Kassel
The Art of Andres Segovia Vol. 5 Werke von Sanz, Scarlatti, Haydn, Moreno Torroba, Castelnuovo-Tedesco, Haug, Aufgenommen zwischen 1956 und 1960, erschienen 2010 IDIS [Dynamic] 2590, im Vertrieb von Klassik Center, Kassel
The Art of Andres Segovia Vol. 6, Werke von Milan, Sanz, Visée, Händel, Gluck, Moreno-Torroba, Esplá, Manén Aufgenommen 1944-1956, erschienen 2010
IDIS [Dynamic] 6603, im Vertrieb von Klassik Center, Kassel
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Wann gilt eine Tonaufnahme als „Historische Aufnahme“? Nicht unbedingt und schon gar nicht ausschließlich hängt es mit dem Alter der jeweiligen Aufnahme zusammen, ob sie als historisch gewertet wird. So wird die Aufnahme von Paco de Lucia, John McLaughlin und Al DiMeola, die als Platte unter dem Titel „Friday Night in San Francsico“ in den Handel gekommen ist, als historisch bezeichnet, und die ist 1980 entstanden. Gut, auch das ist schon dreißig Jahre her, aber was ist das im Vergleich etwa zu Platten von Casals oder der Callas? Oder Andrés Segovia? Seine Aufnahmen werden seit seinem Tod im Jahr 1987 immer wieder neu zusammengestellt, digital aufbereitet und vermarktet. Damit wird der Mythos Segovia am Leben erhalten, sein Vermächtnis gepflegt … gleichzeitig wird in den letzten gut zwanzig Jahren vieles darangesetzt, den Maestro zu demontieren.
Boccherini“ von Mario Castelnuovo-Tedesco, dann ahne ich wieder einmal, warum er diese für einen Gitarristen unglaubliche Karriere gemacht hat. Und ich erinnere mich auch an das erste Konzert, das ich mit Segovia erlebt habe. Das war vor rund vierzig Jahren im Schumann-Saal in Düsseldorf. Ausverkauft! Segovia hatte eine so enorme Bühnenpräsenz, er strahlte ein solches Charisma aus, dass nicht nur ich begeistert war, nein, dass ihn keiner im Saal von der Bühne lassen wollte. Zugaben über Zugaben, bis er, vorn an der Bühne stehend, seinen oft geübten Satz sagte „My guitar is tired now and has to go to sleep!“ Andrés Segovia war ein Kulturereignis … auch, wenn man viel kritisches über seine Interpretationen und seinen künstlerischen Eigenwillen sagen und schreiben kann. Aber niemand konnte sich ihm entziehen, wenn man ihn in einem Konzert vor sich hatte, und das sollte noch viele Jahre so bleiben. Ich habe ihn dann noch ein paar Jahre vor seinem Tod in Köln gesehen und auch mit ihm gesprochen. Er war knapp neunzig Jahre alt und faszinierte seine Konzertbesucher immer noch, auch wenn viele ihn nur noch als eine Art Denkmal betrachteten und gar nicht so viel auf seine Musik gaben. Aber wie gesagt: Segovia war ein Kulturereignis! In dem kurzen Gespräch übrigens, das ich nach seinem Kölner Konzert zusammen mit Eliot Fisk mit ihm führte, sah ich erst, wie alt und müde er in Wirklichkeit wirkte. Auf der Bühne zu stehen, war für den Maestro offenbar ein Jungbrunnen. Allen Gitarristen und angehenden Gitarristen und natürlich allen Musikfreunden überhaupt kann ich die historischen Einspielungen von Andrés Segovia nur ans Herz legen, auch wenn dies so etwas ist, wie Eulen nach Athen zu tragen. Die hier vorliegenden CDs von IDIS (Istituto Discografico Italiano) sind nicht die einzigen auf dem Weltmarkt, das muss der Fairness halber gesagt werden. Das Remastering ist gut, die Booklets enthalten die präzisen Daten der Aufnahmen und keine völlig überflüssigen Biografien von Segovia und auch keine zum x-ten mal neu erdachten Anmerkungen zu den Kompositionen. Für Segovia-Erfahrene seien auf „Vol. 5“ die beiden Stücke von Hans Haug empfohlen, „Alba“ und „Postludio“, auf „Vol. 6“ die „Impresiones Levantinas“ von Oscar Esplá und die „Fantasia-Sonata“ von Joan Manén. Dies sind seltener in Zusammenschnitten veröffentlichte Kompositionen. Aber wie gesagt: Andrés Segovia ist, wenn es um „Historische Aufnahmen“ geht, ein häufig genannter Name. In diesem Jahr ist einer hinzugekommen: John Williams – auch seine CD ist bei IDIS erschienen, die Aufnahmen stammen von 1958. Williams war gerade einmal siebzehn Jahre alt. Von 1953 bis 1956 und schließlich 1958 war er bei Segovia in Siena in die Lehre gegangen (s. „Andrés Segovia in Siena“, Siena 1994, Quaderni Dell’Accademia Chigiana, XLVI, S. 58—60) . Was Williams auf seinen ersten Platten spielte, war natürlich Segovia-Repertoire. „Natürlich“ war das nicht nur, weil er als der Protegé des Maestro galt, sondern auch, weil damals buchstäblich jeder diese Stücke spielte. Und doch … die erste Cello-Suite von Johann Sebastian Bach BWV 1007 hat Segovia nie komplett gespielt – John Williams sehr wohl und zwar gleich auf seiner ersten LP. Die Transkription stammte übrigens von John W. Duarte, auch wenn das im Booklet verschwiegen wird. Aber ansonsten wird das Segovianische Repertoire aufgeblättert, inklusive der ominösen Gavotta von Alessandro Scarlatti, die eigentlich von Manuel Ponce stammt und dem Publikum von Segovia als eine Art Pasticcio untergejubelt worden war. Auch das steht nicht im Booklet – kann es auch nicht, denn dort findet man nur eine Tracklist. Aber hätte man beim Komponistennamen Alessandro Scarlatti nicht vielleicht eine Fußnote einfügen können?
Dass aus diesem kleinen Gitarristen einmal der Weltstar John Williams werden sollte, hat 1958 vielleicht nur Andrés Segovia geahnt, denn der hat den jungen Australier gefördert, wo er nur konnte. Aber wenn man genau hinhört, wird es einem eigentlich klar, dass hier alles angelegt, wenn nicht schon vorhanden war, was Johnny für seine Karriere brauchte. Er hatte schon damals eine brillante Technik, einen wunderbaren runden und sonoren Ton und er konnte mit den Stücken zwischen Bach und Ponce umgehen. Experimentelles neueres Repertoire war damals noch nicht gefragt … und sollte John Williams eigentlich bis heute nicht wirklich interessieren. John Williams hat seine herausragende Rolle als Superstar der klassischen Gitarristen nie dafür benutzt, neues Repertoire zu propagieren und bekannt zu machen. Diese erste „Historische Aufnahme“ jedenfalls gehört in jede Sammlung – wenn sie nicht als LP oder CD seines eigentlichen Labels CBS/SONY längst vorhanden ist.
NEU XXXVVVYYY
Von Peter Päffgen [Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!]
John Williams: The Beginning of a Legend, His first Recording, Werke von Bach, Scarlatti, Sor, Albéniz, Ponce, Duarte, Segovia, Tansman, Granados, Aufgenommen 1958, erschienen 2010,
IDIS [Dynamic] 6600, im Vertrieb von Klassik Center, Kassel [Klassik Center]
The Art of Andres Segovia Vol. 5 Werke von Sanz, Scarlatti, Haydn, Moreno Torroba, Castelnuovo-Tedesco, Haug, Aufgenommen zwischen 1956 und 1960, erschienen 2010 IDIS [Dynamic] 2590, im Vertrieb von Klassik Center, Kassel [Klassik Center]
The Art of Andres Segovia Vol. 6, Werke von Milan, Sanz, Visée, Händel, Gluck, Moreno-Torroba, Esplá, Manén Aufgenommen 1944-1956, erschienen 2010
IDIS [Dynamic] 6603, im Vertrieb von Klassik Center, Kassel [Klassik Center]
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Wann gilt eine Tonaufnahme als „Historische Aufnahme“? Nicht unbedingt und schon gar nicht ausschließlich hängt es mit dem Alter der jeweiligen Aufnahme zusammen, ob sie als historisch gewertet wird. So wird die Aufnahme von Paco de Lucia, John McLaughlin und Al DiMeola, die als Platte unter dem Titel „Friday Night in San Francsico“ in den Handel gekommen ist, als historisch bezeichnet, und die ist 1980 entstanden. Gut, auch das ist schon dreißig Jahre her, aber was ist das im Vergleich etwa zu Platten von Casals oder der Callas? Oder Andrés Segovia? Seine Aufnahmen werden seit seinem Tod im Jahr 1987 immer wieder neu zusammengestellt, digital aufbereitet und vermarktet. Damit wird der Mythos Segovia am Leben erhalten, sein Vermächtnis gepflegt … gleichzeitig wird in den letzten gut zwanzig Jahren vieles darangesetzt, den Maestro zu demontieren.
Boccherini“ von Mario Castelnuovo-Tedesco, dann ahne ich wieder einmal, warum er diese für einen Gitarristen unglaubliche Karriere gemacht hat. Und ich erinnere mich auch an das erste Konzert, das ich mit Segovia erlebt habe. Das war vor rund vierzig Jahren im Schumann-Saal in Düsseldorf. Ausverkauft! Segovia hatte eine so enorme Bühnenpräsenz, er strahlte ein solches Charisma aus, dass nicht nur ich begeistert war, nein, dass ihn keiner im Saal von der Bühne lassen wollte. Zugaben über Zugaben, bis er, vorn an der Bühne stehend, seinen oft geübten Satz sagte „My guitar is tired now and has to go to sleep!“ Andrés Segovia war ein Kulturereignis … auch, wenn man viel kritisches über seine Interpretationen und seinen künstlerischen Eigenwillen sagen und schreiben kann. Aber niemand konnte sich ihm entziehen, wenn man ihn in einem Konzert vor sich hatte, und das sollte noch viele Jahre so bleiben. Ich habe ihn dann noch ein paar Jahre vor seinem Tod in Köln gesehen und auch mit ihm gesprochen. Er war knapp neunzig Jahre alt und faszinierte seine Konzertbesucher immer noch, auch wenn viele ihn nur noch als eine Art Denkmal betrachteten und gar nicht so viel auf seine Musik gaben. Aber wie gesagt: Segovia war ein Kulturereignis! In dem kurzen Gespräch übrigens, das ich nach seinem Kölner Konzert zusammen mit Eliot Fisk mit ihm führte, sah ich erst, wie alt und müde er in Wirklichkeit wirkte. Auf der Bühne zu stehen, war für den Maestro offenbar ein Jungbrunnen. Allen Gitarristen und angehenden Gitarristen und natürlich allen Musikfreunden überhaupt kann ich die historischen Einspielungen von Andrés Segovia nur ans Herz legen, auch wenn dies so etwas ist, wie Eulen nach Athen zu tragen. Die hier vorliegenden CDs von IDIS (Istituto Discografico Italiano) sind nicht die einzigen auf dem Weltmarkt, das muss der Fairness halber gesagt werden. Das Remastering ist gut, die Booklets enthalten die präzisen Daten der Aufnahmen und keine völlig überflüssigen Biografien von Segovia und auch keine zum x-ten mal neu erdachten Anmerkungen zu den Kompositionen. Für Segovia-Erfahrene seien auf „Vol. 5“ die beiden Stücke von Hans Haug empfohlen, „Alba“ und „Postludio“, auf „Vol. 6“ die „Impresiones Levantinas“ von Oscar Esplá und die „Fantasia-Sonata“ von Joan Manén. Dies sind seltener in Zusammenschnitten veröffentlichte Kompositionen. Aber wie gesagt: Andrés Segovia ist, wenn es um „Historische Aufnahmen“ geht, ein häufig genannter Name. In diesem Jahr ist einer hinzugekommen: John Williams – auch seine CD ist bei IDIS erschienen, die Aufnahmen stammen von 1958. Williams war gerade einmal siebzehn Jahre alt. Von 1953 bis 1956 und schließlich 1958 war er bei Segovia in Siena in die Lehre gegangen (s. „Andrés Segovia in Siena“, Siena 1994, Quaderni Dell’Accademia Chigiana, XLVI, S. 58—60) . Was Williams auf seinen ersten Platten spielte, war natürlich Segovia-Repertoire. „Natürlich“ war das nicht nur, weil er als der Protegé des Maestro galt, sondern auch, weil damals buchstäblich jeder diese Stücke spielte. Und doch … die erste Cello-Suite von Johann Sebastian Bach BWV 1007 hat Segovia nie komplett gespielt – John Williams sehr wohl und zwar gleich auf seiner ersten LP. Die Transkription stammte übrigens von John W. Duarte, auch wenn das im Booklet verschwiegen wird. Aber ansonsten wird das Segovianische Repertoire aufgeblättert, inklusive der ominösen Gavotta von Alessandro Scarlatti, die eigentlich von Manuel Ponce stammt und dem Publikum von Segovia als eine Art Pasticcio untergejubelt worden war. Auch das steht nicht im Booklet – kann es auch nicht, denn dort findet man nur eine Tracklist. Aber hätte man beim Komponistennamen Alessandro Scarlatti nicht vielleicht eine Fußnote einfügen können?
Dass aus diesem kleinen Gitarristen einmal der Weltstar John Williams werden sollte, hat 1958 vielleicht nur Andrés Segovia geahnt, denn der hat den jungen Australier gefördert, wo er nur konnte. Aber wenn man genau hinhört, wird es einem eigentlich klar, dass hier alles angelegt, wenn nicht schon vorhanden war, was Johnny für seine Karriere brauchte. Er hatte schon damals eine brillante Technik, einen wunderbaren runden und sonoren Ton und er konnte mit den Stücken zwischen Bach und Ponce umgehen. Experimentelles neueres Repertoire war damals noch nicht gefragt … und sollte John Williams eigentlich bis heute nicht wirklich interessieren. John Williams hat seine herausragende Rolle als Superstar der klassischen Gitarristen nie dafür benutzt, neues Repertoire zu propagieren und bekannt zu machen. Diese erste „Historische Aufnahme“ jedenfalls gehört in jede Sammlung – wenn sie nicht als LP oder CD seines eigentlichen Labels CBS/SONY längst vorhanden ist.
Silvius Leopold Weiss: Sämtliche Werke für Laute, Bde. 1—8
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- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Gitarre & Laute ONLINE
Zu Silvius Leopold Weiss’ Lebzeiten (1686—1750) hatte die Laute es zunehmend schwerer, sich im Musikleben zu behaupten. Der scharfzüngige Johann Mattheson (1681—1764) veröffentlichte 1713 seine vielzitierten Attacken gegen das Instrument: „Die schmeichlenden [sic] Lauten haben würcklich in der Welt mehr Partisans als sie meritiren …“ und gegen die Musiker, die sich seiner bedienten: „und ihre Professores sind so unglücklich / dass wenn sie nur nach der Wienerischen Art / oder nach der Parisischen Mannier ein paar Allemanden daher kratzen können / sie nach der reellen Musicalischen Wissenschaft nicht ein Härchen fragen / sondern sich mit ihrer Pauvreté recht viel wissen. Etliche haben wol gar die Suffisance und geben sich vor Compositeurs aus / da sie doch wahrhafftig nicht gelernt haben / was Con- und Dissonanz sey.“ [Das Neu=Eröffnete Orchestre, Hamburg 1713, S. 274—275] Mattheson forderte mit seinen Angriffen den jungen Candidatus Juris Ernst Gottlieb Baron (1696—1760) heraus, der das Instrument verteidigte. Seine Schrift „Historisch=Theoretisch und Practische Untersuchung des Instruments der Lauten“ (Nürnberg 1727) ist eine einzige Apologie, die allerdings keinen anhaltenden Erfolg zeitigen sollte. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war eine Zeit ständig nachlassenden Interesses an der Laute und 1802 stand in Heinrich Christoph Kochs „Musikalischem Lexikon“: „Laute, ital. Liuto. Dieses ehedem so beliebte Instrument, welches für das angenehmste unter den Saiteninstrumenten gehalten wurde, scheint seit geraumer Zeit in Vergessenheit zu sinken.“ [Berlin 1802, Sp. 891]
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Neue Platten, Januar 2011
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- Geschrieben von Peter Päffgen
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Dirección Sur: Tango Nuevo
José Fernández Bardesio, [Bardesio] Gitarre
Werke von Piazzolla, Ginastera und Bardesio
Aufgenommen im Januar 2010
Hänssler/Profil [Hänssler], im Vertrieb von NAXOS [Naxos.com] PH 11002
… der Tango lebt! …
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José Fernández Bardesio ist Uruguayer. Dort hat er bei Oribe Dorrego, Eduardo Fernández, Guido Santórsola, René Marino Rivero und Abel Carlevaro studiert. Dann hat ihm ein Stipendium erlaubt, nach Deutschland zu kommen. Der Weg führte ihn nach Köln, wo er bei Hubert Käppel ein Aufbaustudium abschließen konnte.
„Tango Nuevo“ spielt Bardesio auf seiner CD. Bardesio, der Uruguayer, wo doch der Tango „eigentlich“ aus Argentinien kommt und als „Tango Argentino“ gespielt und hie und dort auch getanzt wird? Aber muss man aus Polen sein, um eine Polonaise spielen zu können, oder aus Havanna, um eine Habanera zu verstehen?
Aber vielleicht ist der Tango sogar aus Uruguay? In der Gegend um den Rio de la Plata ist er entstanden und an den Silberfluss grenzt im Norden Montevideo, die Hauptstadt Uruguays, und im Süden Buenos Aires, die Mehrmillionen-Metropole und Hauptstadt Argentiniens. Kein Wunder, dass als alternativer Name „Tango Rioplatense“ (Tango vom Rio de la Plata) nicht nur in Uruguay im Gespräch ist!
Am Rio de la Plata sammelten sich in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg die Desperados, die Verzweifelten, die aus Europa in die neue Welt ausgewandert waren und nach ihrem Glück suchten. Und hier vereinten sich Musiken zu der elektrisierenden Melange, die schließlich „Tango“ genannt wurde. Da waren die (natürlich) aus Havanna stammende „Habanera“ und die argentinische „Milonga“, da waren weiter deren afrikanische und europäische Vorformen und da war all das, was die Reisenden aus ihren Heimatgefilden mitgebracht hatten. Der neue Tanz war geprägt von Leidenschaft, Berührung und Erotik … und das hatte im kleinbürgerlichen Europa Hautgout. Tango zu spielen und zu tanzen war in Paris zeitweise als obszön verboten!
Einen „Tango Nuevo“ hat Astor Piazzolla geformt, eine Kunstform, die längst mehr war als ein Tanz und die auch nicht mehr in schmuddeligen Bordells in den Hafenstädten am Rio de la Plata gespielt wurde. Piazzollas Tango wurde auf den Bühnen großer internationaler Konzertsäle gespielt und wurde nach dem Tod des Komponisten am 4. Juli 1992 immer „klassischer“. Im internationalen Musikleben und besonders in der Szene der „klassischen Gitarre“ gehörten Werke von Astor Piazzolla bald zum Standard … allerdings mussten sie erst transkribiert werden, denn Astor war kein Gitarrist, sondern spielte das von Heinrich Band in Krefeld erfundene argentinischste aller argentinischen Instrumente: das Bandoneón. Aber spätestens als die Bearbeitungen von Baltazár Benítez, Leo Brouwer, Abel Carlevaro, Roberto Aussel und anderen heraus waren, spielte jeder bühnentaugliche Gitarrist Piazzolla.
Der „Tango Nuevo“ ist nicht nur neuer als der Tango von Carlos Gardel und seinen Zeitgenossen. Er ist eine grundlegend reformierte Kunstform, reformiert bezüglich fast aller musikalischer Parameter. Zum Beispiel haben sich Tangokomponisten seit Piazzolla viel weitergehend als vorher an den sich wandelnden harmonischen Dimensionen orientiert. Formal und rhythmisch war man nicht mehr an die Tanzbarkeit der Musik gebunden … und doch haben Tango und Milonga nie ihre unverwechselbaren Charaktere verloren.
Aber der Tango stand jetzt im Mainstream der musikalischen Entwicklung, distanzierte sich von Stereotypen … und das passte den Argentiniern überhaupt nicht. Zu modern! Zu wenig Tango! Aber nur so hatte der Tango eine Chance, noch im 21. Jahrhundert auf den Programmen zu stehen … und mit genau solchen Stücken präsentiert sich José Fernández Bardesio auf der vorliegenden CD … als Interpret und als Komponist.
Zwei eigene Kompositionen präsentiert José Fernández Bardesio: „Tres Piezas Uruguayas“ und „Estudio Candombeado“. Der Candombe spielt in zwei Einzelsätzen eine Rolle, ein uruguayischer Tanz im 2/4-Rhythmus, der heute noch, hauptsächlich von Afro-Lateinamerikanern in Montevideo, gespielt und getanzt wird. Er wird dadurch geprägt, dass Trommler den Grundrhythmus markieren – und genau dieses Trommeln macht Bardesio in seinem Stück „Candombeando“, dem dritten der „Tres Piezas“, zum durchgehenden Element. In einem Stück für Gitarre solo! Aber der zugrundeliegende Puls trägt das Stück weiter wie auch in „Estudio Candombeado“, einer akrobatisch virtuosen Komposition, die auch auf den Candombe zurückgeht.
José Fernández Bardesio geht aber, während er die Zuhörer in seine Heimat, die Gegend des Rio de la Plata entführt, harmonisch sehr eigene und hie und dort auch kühne, neue Wege. Die einleitende Milonga „Puimayen“ entspricht in ihrer Liedhaftigkeit noch dem, was man sich vorgestellt hat … aber schon in „Lejos“ erzeugt der Komponist eine sich steigernde Spannung, und zwar nur oder hauptsächlich durch ein sich Zuschnüren der harmonischen Perspektive, die streckenweise in immer dichtere Gefilde führt, in immer fordernde Dissonanzen … dann aber ihren Frieden findet.
Hauptsächlich die Stücke von José Fernández Bardesio selbst sind es, die diese CD so unwiderstehlich machen, sein Spielen mit dem Tango und mit seinen Zuhörern. Natürlich: In acht Kompositionen von Astor Piazzolla, darunter jedem bekannte Meisterwerke wie die „Milonga de Angel“ oder „Libertango“, hat er vorher sein Verwurzeltsein in dieser Musik beeindruckend vorgeführt und sein „Beherrschen“ dieser in jeder Hinsicht anspruchsvollen Stücke. Und dann … hat er gezeigt, dass der Tango lebt!
Die Stücke von José Fernández Bardesio sind übrigens im Verlag Hofmeister in Leipzig erschienen!
Dimitri Lavrentiev: [Lavrentiev] dance with me
Werke von Dyens, Morel, Ivanov-Kramskoj, Jirmal, Petrov, Lauro, Pernambuco, Tárrega, Monti
Aufgenommen im August und September 2010
RACCANTO [Raccanto], im Vertrieb von Klassik Center Kassel [Klassik Center] rd 010
… Da sind noch viele Kanten abzuschleifen …
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Dimitri Lavrentiev ist Russe – dies ist seine Debüt-CD. Er hat nicht bei Koshkin oder Frauci studiert, dafür aber in Deutschland bei Werner Kämmerling und danach Franz Hálasz. Und er spielt auch keinen Koshkin, sondern einen bunten Strauß an Tänzen von Roland Dyens’ Tango bis zum „Gran Vals“ von Francisco Tárrega.
Auf dem Titel der CD ist ein Foto und darauf sieht man eine Reihe von vier aneinanderhängenden Stühlen. Aus einer Schule vielleicht oder einem Jugendzentrum. Beschädigt (nein: kaputt!) und vermutlich aus Russland (nein: aus der Sowjetunion). Ein seltsames Stimmungsbild, das beim Betrachter an alte Zeiten erinnert … aber an Zeiten, die man sich nicht wirklich zurückwünscht. Warum nur?
Das Repertoire, das Dimitri Lavrentiev präsentiert, erinnert auch an alte Zeiten. Es ist eben die bunte Mischung von Stücken, die ich vor etwa zwanzig Jahren in Moskau oder Leningrad/St. Petersburg von den Hoffnungsträgern der russischen Gitarre auch aufgetischt bekam … na gut, damals waren es nicht genau diese Stücke, aber es war die gleiche Art von Melange aus südamerikanischen Petitessen und klassischen Belanglosigkeiten, wie Dimitri Lavrentiev sie offenbar immer noch spielt. Gut, jemand, der selten bis fast nie Gitarrenmusik hört, kann sich vermutlich an der „Danza Brasileira“ von Jorge Morel und an der stupenden Fingerfertigkeit, die sie voraussetzt, erfreuen. Aber schon beim zweiten Hören wird diesen Konsumenten das doch schlichte Strickmuster dieser Saudades und Danzas zu stören beginnen und vor allem die Frage, warum sie immer wieder aufs Neue vorgetragen werden, ganz, als gäbe es keine andere und vor allem bessere Musik für dieses Instrument.
Aber Schluss mit dem Klagen über einen Mangel an Repertoirevarianten! Dimitri Lavrentiev ist ein junger Musiker, der sich auf seiner ersten CD mit dem präsentiert, was er für wirkungsvoll und präsentabel hält. Nur sind die dargebotenen Süßigkeiten des Repertoires leider nicht einmal sein Ding. Die Venezolanischen Walzer von Antonio Lauro wirken steif und hölzern. Das Gleiche gilt für „Sons de Carillhões“, diese luftige, gefällige Maxixe von Pernambuco, die für mich immer der Inbegriff brasilianischer Salonmusik war, hier aber ihre Leichtigkeit eingebüßt hat. Den Stücken von Tárrega („Capricho arabe“, „Maria“, „Gran Vals“ und „Estudio Brillante de Allard”) ist es leider nicht anders ergangen – auch sie wirken eher schwergängig oder, wie bei der Gavota „Maria“, in ihrem bewussten Anderssein schon kurios.
Dimitri Lavrentiev präsentiert sich auf seiner Debüt-CD nicht als Klangzauberer, der das Publikum mit leichter Hand um den Finger wickelt. Da sind noch viele Kanten abzuschleifen.
Eva Beneke, guitar [Eva Beneke]
Coming Home
Werke von Bach, Beneke, Domeniconi
Aufgenommen im Juli 2009 und Januar 2010, erschienen 2010
Erhältlich bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
… mit guten Ideen auf dem richtigen Weg …
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Eva Beneke ist Berlinerin und hat bei Martin Rennert studiert, danach bei Thomas Müller-Pering. Heute lebt sie in LA, wo sie bei Scott Tennant und Pepe Romero weiter lernt.
Auf ihrer Debüt-CD spielt sie die Suite Nº 6 BWV 1012, gemeint ist die sechste Cello-Suite in (natürlich) eigener Transkription für Gitarre. Es folgen drei Stücke der Interpretin („Stormy Crossing“, „Coming Home“ und „Say it again“) und schließlich die Chaconne von Carlo Domeniconi.
Dass sie ausgerechnet diese Bach-Suite zum Einstand spielt, ist mutig. Es ist keine von den oft gespielten und es ist eine ziemlich schwierige Komposition des Meisters … mindestens in Transkription für Gitarre.
Eva Beneke geht gleich das Prelude der Bach-Suite mit Entschlossenheit an und zeigt auch in der folgenden sehr weitläufigen Allemande, dass ihr dieser knapp acht Minuten lange Einzelsatz nicht verläuft und dass sie die Spannung zu halten vermag. Mir fehlt zwar hie und dort eine etwas klarer ordnende Phrasierung, vor allem da, wo es – wie in der Courante – flotter wird. Auch in der abschließenden Gigue wird der Zuhörer durchaus zum Mitdenken verdonnert … aber das schadet nicht! Die Sechste Cellosuite ist, auch, weil wir ihrer als Konsumenten nicht überdrüssig sind, wohltuend.
Evas Selbstgemachtes lässt in jeder Phase erkennen, dass sie eine erfahrene Gitarristin ist … und das ist so gemeint, dass ich nicht nur hie und dort, sondern durchgehend Figuren, Akkordkonstellationen oder einfach nur Ideen höre, die mir bekannt vorkommen, die mich an schon Gehörtes erinnern. Wie Improvisationen, bei denen der Improvisator einfach nicht leugnen kann, was er da so alles in den Fingern hat.
Nein: Eva Beneke ist keine Kopistin, keine Plagiatorin! Aber ich höre in „Stormy Crossing“ ziemlich viel Villa-Lobos und in „Coming Home“ jede Menge US-Amerika.
Bei der Chaconne von Carlo Domeniconi ist alles anders. Natürlich hört man da die Chaconne überhaupt, die von Johann Sebastian Bach aus BWV 1004, ein Werk, das nicht nur jeder Gitarrist, sondern auch Geiger im Ohr haben und der Rest der gebildeten Musikwelt sowieso. Aber in der Chaconne von Carlo Domeniconi klingt die von Bach nicht an – es ist die von Bach … nur eben so verfremdet, dass man manchmal seinen Ohren nicht traut. Geschrieben ist das Stück für Dale Kavanagh und die hat es auch als Erste aufgenommen (Hänssler 98.483). Interpretatorisch hängt mir immer noch die Version von Andrés Segovia nach, der natürlich die Domeniconi-Mutation nicht gekannt hat und sie vermutlich auch nie eines Blickes gewürdigt hätte. Aber seine schwülstig-theatralische, hochdramatische Art, dieses Werk zu spielen und auch seine stark persönliche, aufgeplusterte Bearbeitung der Chaconne hat Domeniconi gekannt – das hört man – und Eva Beneke auch! Und eigentlich ist die Chaconne auf vorliegender CD nicht nur ein verfremdender Rückblick auf das Stück von Johann Sebastian Bach, sondern auch auf dessen Umwandlung in ein zentrales Werk des Repertoires für Gitarre durch Maestro Segovia und seine Epigonen. Die Chaconne von Bach/Domeniconi ist für mich der beeindruckendste Programmteil dieser CD!
Eva Beneke versucht, frischen Wind in das Gitarren-Repertoire zu bringen und will dabei auf große Namen nicht verzichten. Sie baut auf Klassisches ohne ihrem Programm historisierende Züge zu geben und sie streut ein paar unbekannte neue Stücke dazwischen. Ob es dabei klug war, diese Einsprengsel selbst dazu zu komponieren oder zu improvisieren, weiß ich nicht. Diese CD zeigt jedenfalls, dass die Musikerin mit guten Ideen auf dem richtigen Weg ist.
Friedemann Wuttke, David Lorenz, Rita Honti, Monika und Jürgen Rost, Simeon Simow
Spanish Guitar Music
Werke von Albéniz, Granados, Sor, Pernambuco, Turina, Malats, Tárrega
Erschienen 2010
Hänssler/Profil [Hänssler], im Vertrieb von NAXOS [Naxos.com] PH 10056
… Sorry, nicht mein Geschmack, diese Weihnachts-CD von Hänssler! …
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Zum Weihnachtsfest 2010 ist dieses Sampler mit spanischer Musik aufgelegt worden … ältere, nicht datierte und nicht kommentierte Aufnahmen unterschiedlicher Gitarristen, von denen Wuttke zu den „Hauskünstlern“ des Labels gehört, die anderen nicht. Das Repertoire ist die übliche Melange spanischer Klaviermusik, dazwischen hie und dort etwas Sor, auch João Teixeira Guimarães [!] ist vertreten und dann natürlich Tárrega.
Gut, es ist ein Sampler … aber auch da darf man als Käufer durchaus etwas mehr redaktionelle und editorische Sorgfalt voraussetzen. Nicht nur, dass irgendwo in der Mitte des Programms zwei einsame Sätze von Fernando Sor umherirren („Introduction and Allegro“), die gemeinhin als dessen „Grand Solo“ op. 14 bekannt sind, es sind auch Aufnahmen zusammengepfercht worden, die in einem seltsamen Missverhältnis zueinander stehen. Da hört man den professionellen, glatten, in Hall verpackten Sound von Wuttke; danach David Lorenz [David Lorenz] in einem seltsam antiquiert genuschelten Stil, der ihn als Segovia-Epigonen ausweist und weniger als Gitarristen des 21. Jahrhunderts; dann Rita Honti, mit einem zurückhaltenden, eher unromantischen „Adelita“ und dann „Sevilla“ von Albéniz, das sie eher vorsichtig als zurückhaltend spielt, ganz als fürchte sie sich vor technischen Stromschnellen, die da noch auf sie warten; und schließlich Simeon Simow, der sich für meine Begriffe regelrecht unbeholfen durch seine Stücke tastet. Dazwischen spielen die Altmeister Monika und Jürgen Rost Fernando Sors „L’encouragement“ op. 34 auf ihre bekannt kühl-professionelle Art.
Sorry, nicht mein Geschmack, diese Weihnachts-CD von Hänssler!
Pyotr Ilyich Tchaikovsky: Nutcracker Suite
Werke von Tschaikowski, Delibes, Fauré, Llobet und Vivaldi
Modern Mandolin Quartet [Modern Mandolin Quartet]
Aufgenommen September—Oktober 2003, erschienen 2010
DORIAN DSL 02121, im Vertrieb von NAXOS [Naxos]
… hart und blechern …
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Nein, Mandolinenklänge gehören nicht zu meinen bevorzugten musikalischen Welten, vor allem dann nicht, wenn sie in geballter Form, sprich: in Kompaniestärke, auftreten. Die vorliegende CD des Modern Mandolin Quartet beginnt mit den uns allen bekannten katalanischen Volksliedern in der Bearbeitung von Miguel Llobet, die schließlich von Paul Binkley, einem Quartettmitglied für das Ensemble arrangiert worden sind … und schon finde ich mich in meiner distanzierten Haltung der Mandoline gegenüber bestätigt. Das, was wir rund und wohlklingend in Erinnerung haben, kommt hier hart und blechern herüber – mit wenigen dynamischen Differenzierungen, dafür aber dem einen oder anderen harmonischen Konflikt. Aber halt: Das Modern Mandolin Quartet ist kein fröhlich vor sich hintremolierendes Mandolinenorchester, kein Feierabendensemble. Die vier Musiker haben ausnahmslos Musik studiert und solistisch sowie in verschiedenen Ensembles gespielt.
Die titelgebende Nussknacker-Suite von Tschaikowski ist das Werk dieser CD, das in der Bearbeitung für Mandolinen tatsächlich wenig verloren und vielleicht sogar ein bisschen an Witz und Charme gewonnen hat. Auch für Gabriel Faurés „Pavane“ op. 60 trifft das irgendwie zu … aber schon das darauf folgende berühmte Concerto von Antonio Vivaldi D-Dur, im Original für Laute und Streicher, leidet unter dem Zupforchester-Syndrom, das vor allem an seinem durchgehenden punktuellen Puls zu erkennen ist. Eine Mandoline hat kein Sustain, legato zu spielen, ist also, wenn man das berüchtigte Tremolieren vermeidet, unmöglich – und auch das ist ja nur ein Trick, der einen länger ausgehaltenen Ton durch schnelles Wiederholen vortäuscht. Wenn ich zum Beispiel den langsamen Satz des Vivaldi-Konzerts nehme, der auf einem sehr schönen, vom Soloinstrument vorgetragenen Thema aufgebaut ist, dann ist es gegen jede Vernunft, den Streichersatz, auf dem sich das Thema entwickelt, durch Instrumente zu ersetzen, die – wie das Soloinstrument – einen punktuellen Ton haben. Ganz abgesehen davon, sind mehrere nebeneinander spielende Zupfinstrumente nie auf den Punkt synchron … aber das nur am Rande.
Die CD des Modern Mandolin Quartet hat mich nur, was ein paar Stücke angeht, überzeugen können. Ich habe keine prinzipiellen Vorurteile gegen die Mandoline – wohl aber gegen Musiker, die in dem Instrument mehr sehen, als einen Farbtupfer im instrumentalen Spektrum, mehr als die italienische Note, die sie hinreißend schön und zielsicher ausfüllt.
Chicaquicha: Guitar Music from Colombia
Andres Villamil [Villamil]
Werke von Jaime Romero, Gentil Montaña, Samuel Bedoya, Carlos Vieco u.a.
Aufgenommen im September und Dezember 20090, erschienen 2010
OEHMS Classics [OEHMS] OC 778, im Vertrieb von Helikon/harmonia mundi [Helikon]
… Ruhe und Gelassenheit …
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Brasilianische Gitarrenmusik kennen wir, auch argentinische und sogar peruanische. Aber kolumbianische? Die Komponisten, deren Namen ich da im Booklet dieser Debüt-CD sehe, sind mir nicht bekannt … bis auf Gentil Montaña (*1942), der heute die „Fundación Gentil Montaña“ in Bogotá leitet, eine Art privates Konservatorium [Fundación Gentil Montaña], das weit über die Grenzen von Kolumbien bekannt ist. Montaña hat eine Zeit in Paris gelebt, wo er sich als Gitarrist und Komponist einen Namen machte. Ausschnitte seiner Konzerte in Frankreich sind bei YouTube zu sehen.
Die kolumbianische Musik, die wir auf dieser CD von Andres Villamil hören, ist unverkennbar lateinamerikanisch, unterscheidet sich aber wesentlich von der argentinischen und chilenischen und besonders von der brasilianischen Musik … und zeigt Parallelen zur venezolanischen. Das ist nicht weiter verwunderlich, da die beiden Staaten, Venezuela und Kolumbien im Norden Südamerikas unmittelbare Nachbarn sind und sich allein daher kulturell gegenseitig beeinflusst haben – außerdem hatten die beiden Länder eine ziemlich lange gemeinsame Geschichte.
Es gibt Tanzformen, die in beiden Staaten in zwar leicht unterschiedlicher Art, aber immerhin unverkennbar auf gleiche Modelle zurückgehend, gespielt und getanzt werden und auch solche, die es in fast identischer Form in Kolumbien, Venezuela und sonst eher nicht gibt. Den „Bambuco“ zum Beispiel gibt es in Venezuela und Kolumbien. Er geht auf den europäischen Walzer zurück – ähnlich wie der „Pasillo“ – und heißt in Venezuela gelegentlich auch „Vals“ … unter diesem Namen kennen ihn auch die meisten Europäer. Die „Guabina“ wird hauptsächlich in Kolumbien gespielt, und zwar auf Tiple, Requinto und Bandola, typischen Instrumenten der Anden.
Wenn man Andres Villamil spielen hört und seine Musik mit der Erinnerung an das vergleicht, was man an argentinischer Gitarrenmusik (zum Beispiel) gehört hat, dann fällt einem seine Ruhe und Gelassenheit auf, die Unaufdringlichkeit, mit der er seine Musik präsentiert. Natürlich hat das mit Andres Villamils Spiel zu tun, mit seiner Zurückhaltung und seinem bescheidenen Zurücktreten hinter die Musik … sogar hinter seine eigene. Andres ist mit ein paar Arrangements von Stücken, die ursprünglich nicht für Gitarre geschrieben sind, im Programm vertreten, aber auch mit Originalstücken.
Aber dieses Phänomen des im wahrsten Sinne „höflichen“ Zurücktretens, hängt auch mit der Musik zusammen und mit den (jetzt unzulässig verallgemeinernd beschriebenen) Mentalitätsunterschieden zwischen den Latinos des Nordes von Südamerika und beispielsweise den Argentiniern. Wenn wir heute Kolumbien meist mit Gewalt, Kriminalität und Drogenhandel in Verbindung bringen, ist das eine tragisch einseitige Einschätzung. Immerhin ist das Land das zweitbevölkerungsreichste Südamerikas (nach Brasilien), es hat aber nie einen warmen Geldregen erleben dürfen, wie das Nachbarland Venezuela durch die reichen Ölvorkommen.
Andres Villamil, der, nebenbei bemerkt, bei Gentil Montaña und Sonia Díaz in Bogotá studiert hat und danach bei Roberto Aussel in Köln, hat mit einer CD mit Musik seiner Heimat auf sich aufmerksam gemacht. Mich jedenfalls lässt er neugierig zurück: neugierig auf mehr kolumbianische Musik und neugierig auf Andres Villamil mit klassischer Gitarrenmusik … denn das hat er studiert: klassische Gitarre. Und seine akademische Ausbildung ist der bisher noch nicht benannte Grund für die gesunde Distanz, die er zur folkloristischen Musik seiner Heimat hat und hält.
Leupold Trio: Con Chitarrone [Leupold Trio]
Italian Sonatas from Early Renaissance to Baroque
Werke von Frescobaldi, Castello, Howet, Gabrieli, Bertali u.a.
Aufgenommen im Mai 2010
Challenge Records [CR] CC 7239, im Vertrieb von Sunny Moon, Köln
… hinreißend niederländisch …
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In der Zeit zwischen ungefähr 1570 und 1600 traf sich in Florenz eine Gruppe von Künstlern und Wissenschaftlern regelmäßig zu Gesprächen. So konspirativ diese Zusammenkünfte aus unserer Sicht auch wirken mögen, ihr Ziel war kein gesellschaftlicher oder politischer Umsturz, sondern eine künstlerische Revolution. Man wollte eine Wiedergeburt des antiken Dramas fördern und ging davon aus, dass diese Dramen gesungen und nicht gesprochen worden waren. Die „Florentiner Camerata“, so hieß die Gelehrtengruppe, der unter anderem Giulio Caccini und Vincenzo Galilei angehörten, lehnte die vorherrschende polyphone Musik ab und förderte im Sinne besserer Textverständlichkeit eine einfache, melodiebetonte und instrumental begleitete Schreibweise.
Stücke im neu entstehenden monodischen Stil wurden als Gesangslinie mit einer Basslinie notiert, zu der man Ziffern und bei Bedarf Akzidentien zur Bestimmung der zu spielenden Harmonien schrieb. Damit war der Generalbass erfunden, der das Komponieren der nächsten hundert, hundertfünfzig Jahre bestimmen sollte. Außerdem kam der Chitarrone in Mode, weil er als Begleitinstrument für monodische Gesänge favorisiert wurde.
Der vorliegenden CD einen Untertitel zu geben, war schwierig, denn das dargebotene Repertoire lässt sich nur schwer zusammenfassend beschreiben. Und so hakt die schließlich gewählte Inhaltsangabe auch prompt: Sonaten sind es nicht ausnahmslos, die gespielt werden … und italienisch sind sie auch nicht alle. Nicht mal stilistisch! Und: Von der frühen Renaissance bis zum Barock? Das dargebotene Repertoire stammt ausnahmslos aus dem 17. Jahrhundert und hat die Wirren um die Wende von „Prima“ zu „Seconda pratica“ hinter sich. Nur für die beiden Solostücke, die Sören Leupold, der Lautenist der Aufnahme, für Laute und nicht für Chitarrone ausgesucht hat, hat er eher dem Renaissancedenken verpflichtete Komponisten verpflichtet: John Dowland und Gregorius Huwet, letzteren mit einer „Fantasie“ aus Robert Dowlands „Varietie of Lute-Lessons“ von 1610.
Also: Ein gemischtes Programm, das, und davon war noch gar nicht die Rede, außerordentlich frisch und spontan vorgetragen wird. Wouter Mijnders, der Cellist, und seine Kollegin Eva Stegemann, Violine, spielen hinreißend niederländisch. Sören Leupold, der namengebende Patron des Ensembles, outet sich in seinen Solo-Einlagen nicht als Rampensau, die sich solistisch in den Vordergrund spielen will. Aber er kommt zu Wort, was seinen Kombattanten schon während des ganzen Programms vergönnt war.
Ich hätte mich gefreut, auch als Soloeinlage etwas auf dem Chitarrone zu hören: vielleicht Stücke von Johann Hieronymus Kapsberger, dem lange fälschlich die Erfindung dieses überdimensionalen Lauteninstruments zugeschrieben worden ist. Aber auch Kapsberger wäre kein Italiener gewesen … in Rom, wo er 1650 gestorben ist, wurde er „Tedesco della Tiorba“ genannt.
Noch ein Wort zum Booklet: Da hätte man sich mehr Mühe geben müssen! Die Reihe an offenkundigen Fehlern wird durch die kühne Aussage gekrönt, „La Romanesca“ habe irgendwo irgendwann „intrigierend“ geklungen! Intrigierend? Ist da aus dem Englischen übersetzt worden?
Folies d’Espagne: Variations & Villanelles
Musica Antiqua Provence
Anonyme Werke und solche von Ruiz de Ribayaz, Ortiz, Bottegari u.a.
Aufgenommen im Juli 2008, erschienen 2009, im deutschen Vertrieb seit 2010
Integral [Integral] INT 221.169, im Vertrieb von Sunny Moon, Köln
… Mir ist an zu vielen Töpfen genascht worden …
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Um ein Jahrhundert älter als die Musiken des Leupold Trios sind die Kompositionen, die von dem Ensemble „Musica Antiqua Provence“ präsentiert werden. Wir befinden uns jetzt im 16. Jahrhundert!
„Variationen und Vilanellen“ ist der Untertitel des Programms, wobei die Variationen meistens Variationen auf ostinate Bass-Figuren sind, wie sie in dieser Zeit ausgiebig gespielt wurden. Wir kennen die zahllosen Passamezzi, wie sie in den Lautenbüchern der Zeit vorkommen und auch die Folias, Passacaglias und Chaconnes – sie alle basieren auf ostinaten Bassfundamenten und die kannten die Musikanten des 16. Jahrhunderts natürlich.
Die Musiker, die diese CD zusammengestellt haben, tun das auch. Und man merkt, dass sie improvisatorisch zu Werke gehen und nicht nach ausgeschriebenen Arrangements. Es gibt sie zwar, diese Komplett-Arrangements und schon im 16. Jahrhundert sind sie gedruckt worden. Aber auch damals sind sie schon eher als Improvisationsvorlagen benutzt worden. Die Kenntnis der Ostinatoformen war Allgemeingut!
Villanellen sind volkstümliche Strophenlieder, die zur gleichen Zeit hauptsächlich in Italien populär waren.
Das Programm, das auf dieser CD präsentiert wird, bietet einen bunten Wechsel zwischen volkstümlichen und sehr volkstümlichen Stücken auf der einen und anspruchsvollen durchkomponierten „Werken“ auf der anderen Seite. Auch der Wechsel, was Besetzungen und Instrumentierungen angeht, bietet ein sehr heterogenes Bild – gemeinsam haben alle eingespielten Kompositionen, dass sie weltlicher Art sind. Sogar das hundert Jahre jüngere Orgelstück von Francisco Xavier Baptista (?—1797), das ungefähr in der Mitte des Programms steht, ist eine (weltliche) Sonate mit einem Variationssatz.
Barockgitarre und Cister spielen in mehreren Stücken tragende Rollen und gerade die fünfchörige Gitarre war ja tatsächlich an der Verbreitung ostinater Tanzformen aktiv beteiligt. Das Gros der in „alfabeto“ aufgeschriebenen Gitarrentabulaturen drehte sich um solche Formen und auch viele Canzonetten und Villanellen sind dort erschienen.
Die vorliegende CD stellt eine bunte Auswahl weltlicher, meist bürgerlicher Vokal- und Instrumentalmusik dar. Mir ist dabei an zu vielen Töpfen genascht worden; mir sind zu viele unterschiedliche Stile und Besetzungen so nebeneinander gesetzt worden, als gehörten sie zusammen. Aber die Canzonetta „La Vecchia Innamorata“ von Biagio Marini zum Beispiel, die ganz am Schluss des Programms steht und die „Ciaccona“ von Benedetto Marcello (1686—1739) haben weder musikalisch noch was die Rolle angeht, die sie in ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Umgebung gespielt haben, Gemeinsamkeiten.
Dass die beteiligten Musiker mit viel Spaß bei der Sache gewesen sind, ist unüberhörbar, aber das reicht natürlich nicht, ihr Produkt dafür geschlossen oder stringent zu finden.
El Jardín de Lindaraja: New Music for Guitar
Agustín Maruri
Werke von Eduardo Morales-Caso, Jorge Miguel-González, Marco Smali Miras u.a.
Aufgenommen im April 2010
EMEC-Records, Madrid [EMEC], E-084, im Vertrieb von Sunny Moon, Köln
… verdienstvoll …
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Turina, Moreno Torroba und Rodrigo waren gestern. Henze, Britten und Martin auch. Wenn jetzt von „Neuer Gitarrenmusik“ die Rede ist, dann sind seit einiger Zeit andere Namen im Gespräch. Nicht die Angehörigen der Koyunbaba-Fraktion, bei deren Werken das Ziel im Vordergrund zu stehen scheint, mit möglichst wenig Aufwand möglichst gefällige [!] und scheinbar virtuose Musik auf die Bühne zu bringen; auch nicht die, die ihre eigenen Improvisationen in Noten aufschreiben und dann als Komposition verkaufen; und schon gar nicht die Bastler, die, mit einem Kompositionslehrbuch bewaffnet, Töne und Klänge zusammensetzen und glauben, Musik zu machen. Nein, ich meine Komponisten, die organisch gewachsene Musik zu Papier bringen, die „nach allen Regeln der Kunst“ angefertigt ist und eigene Aussagen transportiert.
Eine Einrichtung, die sich seit 1985 der Förderung exzellenter Nachwuchs-Gitarristen verschrieben hat, ist der jährlich stattfindende „Certamen Internacional de Guitarra Clásica“ in Almuñécar-La Herradura in der Provinz Granada. 1987 kamen die Veranstalter auf die Idee, auch einen Wettbewerb für Kompositionen für Gitarre auszuschreiben. Damit war der „Concurso de Composición Andrés Segovia” geboren und auch er sollte ab sofort jährlich ausgetragen werden. Jetzt hat Agustín Maruri eine CD mit den Siegerkompositionen der Jahre 1999, 2000, 2001, 2005, 2006 herausgebracht.
Eduardo Morales Caso (1. Preis 2001) hat das Stück geschrieben, dessen Name der CD den Namen gegeben hat: „El Jardín de Lindaraja. Fantasía“. Der Komponist ist 1969 als Sohn spanischer Eltern in Havanna geboren und hat dort bei Carlos Fariña studiert, später bei Antón García Abril in Madrid.
„El Jardín de Lindaraja“ ist die erste Gitarrenkomposition von Morales Caso und es ist die, wie er selbst sagt, mit den direktesten Anklängen an Spanien. In dem Stück wechseln lyrische, gesangliche Passagen mit eher rhythmisch betonten und beide Elemente haben andalusisches Flair und Eigenart. Dabei sind es weniger die rhythmischen Teile, die an Andalusien erinnern – vielleicht, weil in ihnen Flamenco-Techniken verwendet würden –, es sind die lyrischen, gesungenen, in denen man Bilder dieser spanischen Provinz vor sich hat, die ihre so reiche und wechselhafte Geschichte widerspiegeln.
Jorge Miguel Gonzáles Rodríguez, wurde 1975 in Madrid geboren und studierte Gitarre und Komposition. Sein Stück „Cromático“ gewann 2006 den Wettbewerb. In „Cromático“ ringen zwei Themen miteinander, zwei Prinzipien eher, ein statisches und ein dynamisches … und beide bewegen sich auf einem atonal-seriellen Netz, das sie hält aber nicht loslässt.
Marco Smaili Miras, geboren 1967 in Algier, hat in Alicante Gitarre und Komposition studiert. Sein Stück „La misma luz de entonces – Homenaje a Tete Montoliú” ist nicht bestimmt vom Jazz, aber es atmet irgendwie Jazz und zwar als Hommage auf den blinden katalanischen Jazzer Tete Montoliú (1933—1997), der sein Leben lang versucht hat, verschiedenste Elemente, zum Beispiel den Flamenco, mit dem Jazz zu vermählen und bekannt zu machen. Aber in dieser dreisätzigen Komposition von Marco Smaili Miras hört man auch andere Einflüsse und Vorbilder … auch welche aus der Gitarrenmusik des 20. Jahrhunderts und zwar auch hier wieder nicht als Plagiate, sondern als respektvolle Reminiszenzen. „La misma luz de entonces“ war übrigens 1999 das Siegerstück es Wettbewerbs.
Javier Farias Caballero (*1973) hat 2005 den Wettbewerb gewonnen und zwar mit einem Stück namens „Retorna“. Der Komponist ist Chilene und dort hat er auch sein Handwerk gelernt. Unter anderem hat er Gitarre studiert, und zwar das klassische Fach, Flamenco und, was offenbar in Chile möglich ist (und wo sonst?), chilenische Gitarre.
Aber von irgendwie ethnisch orientierter oder gar dominierter Musik kann bei „Retorna“ von Farias Caballero keine Rede sein. Das Stück arbeitet mit großen Klängen, deren Offenheit durch neue, gewagte Skordaturen erreicht wird. Dass die normalerweise in e-Moll gestimmte Gitarre mit Hilfe solcher „Verstimmungen“ völlig neue Klanglichkeiten erreichen kann, wissen wir. Mit solchen Klangspielen arbeitet Farias Caballero, und zwar auf der Basis bitonaler Ordnung. Es entsteht so ein außerordentlich dichter und intensiver Gitarrenklang.
Virginio Zoccatelli (*1969) ist Italiener und hat den Wettbewerb in Almuñécar-La Herradura im Jahr 2000 für „Five Pieces for Guitar“ gewonnen. Diese kurzen Kompositionen beschreiben, so der Autor, Emotionen, die durch Naturgegebenheiten hervorgerufen worden sind. So haben wir es also mit formal und tonal freien Charakterstücken zu tun, mal rhapsodisch fabulierend – mal ziemlich streng strukturiert; mal energisch – mal lyrisch.
Man muss Agustín Maruri für diese Präsentation von fünf großen Kompositionen danken. Ob sie den Weg in das große Gitarrenrepertoire finden, wird sich zeigen. Es ist bekanntlich immer schwer, konzertierende Musiker so für neue Stücke einzunehmen, dass sie sie einstudieren und in ihr Programm aufnehmen. Umso verdienstvoller sind Aufnahmen wie die vorliegende, weil da der Kollegenwelt klangliche Eindrücke vermittelt werden.
Adriano Del Sal [Orpheus Management]
Laureate Series: First Price 2009 Tárrega International Guitar Competition, Benecasim
Werke von Tárrega, Sor, Moreno Torroba, Rodrigo und Ennio Morricone
Aufgenommen im August 2010
NAXOS [Naxos] 8.572657
… Adriano Del Sal hat alles, was man als professioneller Gitarrist braucht …
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Adriano Del Sal kenne ich seit einigen Jahren und zwar aus dem Dunstkreis von Stefano Viola und Paolo Pegoraro. Ich habe mich immer gefragt, warum Adriano nicht längst eine Riesenkarriere gemacht und die großen Wettbewerbe gewonnen hat … na ja, die Wettbewerbe hat er inzwischen gewonnen und die Karriere kommt! Die vorliegende CD war Teil der Siegesprämie beim Wettbewerb in Benicàssim, den er 2009 gewonnen hat.
Adriano spielt ein Debüt-Programm von Tárrega bis Morricone. Aber wie? Adriano Del Sal hat alles, was man als professioneller Gitarrist braucht. Eine splendide Technik, die ihn offenbar nie im Stich lässt, einen wunderbar runden, satten Gitarrenton und dazu ein schon opulent ausgebildetes Repertoire. Was fehlt da noch?
Na ja, was den Geschmack angeht, mit dem er die Musik behandelt, gibt es auch keine Klagen … wenn man denn das postsegovianische Schmalz mag. Adriano schwelgt gern in Schönklang und neigt auch zu ähnlicher Dramatik wie Maestro Segovia höchstpersönlich. Aber das muss man auch erst mal können, denn Adriano Del Sal kopiert Segovia nicht, wie das so viele seiner Epigonen getan haben, die dann aber in keiner Weise an die Musik herankamen, die sie da nachäfften (Namen nenne ich auch auf Anfrage nicht – aber es gibt genug). Nein, Adriano hat den Gitarrenschönklang und auch einen gewissen postromantischen Interpretationsansatz so zu seinen Vorbildern gemacht, dass sie ihm zu eigen sind, dass er sie benutzt, ohne überhaupt an Vorbilder zu denken. Und, na ja, als Adriano Del Sal (*1977) seine erste Gitarre in der Hand hielt, war Segovia (1893—1987) schließlich schon Geschichte!
Und ich gestehe: Ich habe vieles weder verstanden noch gemocht, was der Maestro gemacht hat, aber wenn ich jetzt Adriano Del Sal mit den „Pièces caractéristiques“ von Federico Moreno Torroba höre, dann fallen mir unvergleichliche Momente ein, in denen ich Segovia live oder auf Konserve gehört habe und hingerissen von der Musik war, die er mir da vorstellte.
Die Dame mit dem Cembalo: Wanda Landowska
- Details
- Geschrieben von Peter Päffgen
- Kategorie: Florilegium
Martin Elste (Hrsg.), Die Dame mit dem Cembalo: Wanda Landowska und die Alte Musik. Bilder und Texte zusammengestellt und herausgegeben von Martin Elste, Mainz u.a. 2010, ISBN 978-3-7957-0710-1, € 39,95
… Es ist ein Vergnügen, in dem Buch über die „Dame mit dem Cembalo“ zu stöbern und zu schmökern! …
In welche musikalische Welt wurde Wanda Landowska [WL] am 5. Juli 1879 in Warschau geboren? Sie selbst schrieb im Jahr 1900 in einer autobiographischen Notiz über ihren Umzug nach Paris: „Mein Repertoire? Es bestand hauptsächlich aus Kompositionen der Romantiker. Meine beiden Lehrer […] spielten Chopin voller Inbrunst und Leidenschaft.“ [S. 16] Dass ihre Lehrer Chopin spielten, kann nicht weiter verwundern, schließlich waren sie Polen und Chopin (1810—1849) galt und gilt als die Quintessenz polnischer Musik überhaupt. Und dass sie seine Musik „voller Inbrunst und Leidenschaft“ spielten, wie die Landowska mit leicht ironischem Unterton meinte, passt zu den Vorstellungen, die wir von den interpretatorischen Standards der Zeit haben und die wir leicht mit Pathos und Emphase in Verbindung bringen.
Das europäische Konzertleben befand sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts in einem grundsätzlichen Wandel. Höfe und Adel hatten nach 1789 und den folgenden Napoleonischen Kriegen an Einfluss verloren. Gleichzeitig entstand – unter anderem als Folge der industriellen Revolution – eine neue wohlhabende Mittelschicht, die später das Kulturleben bestimmen sollte. Die Popularisierung des Musiklebens brachte nicht nur öffentliche Konzerte für vergleichsweise immense Zuhörerzahlen mit sich, sondern auch ein Umorientieren in Sachen Darbietungsweise und Repertoire.